Dr. Moritz, warum ist Röntgen insbesondere für Kinder riskant?
Dr. Jörg Moritz: Das kann man sich vielleicht so vorstellen: Zellen werden am meisten in der Phase geschädigt, in der sie sich teilen. Der kindliche Organismus wächst noch. Daher gibt es sehr viele Zellteilungen, sodass es leichter zu Schädigungen kommen kann. Dabei können folgende Schäden auftreten:
Durch Röntgenstrahlung kann zum Beispiel ein Karzinom induziert werden. Die Latenzzeit beträgt etwa 20 Jahren. Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Kindern ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein durch Strahlung induziertes Karzinom klinisch manifest wird, sehr viel höher als bei älteren Menschen.
Verursachen Röntgenstrahlung Schäden am Erbmaterial in den Eierstöcken oder den Hoden, können daraus Erbkrankheiten entstehen. Da Kinder potentielle Eltern sind, können solche Erbschäden manifest werden.
Eine weitere Problematik ergibt sich aus den Körperproportionen des Kindes. Der kindliche Organismus ist viel kleiner als der eines Erwachsenen. Deshalb liegen die Organe dichter beieinander. Fällt Röntgenstrahlung auf einen Körper, entsteht grundsätzlich Streustrahlung, also Strahlung, die in eine beliebige Richtung verläuft und nicht komplett abgeschirmt werden kann. Wird beispielsweise eine Röntgenaufnahme des Thorax bei einem kleinen Mädchen angefertigt, trifft auf die Eierstöcke relativ mehr Streustrahlung als bei einer erwachsenen Frau.
Daher müssen Röntgenaufnahmen bei Kindern sehr umsichtig angefertigt werden und die Indikation streng gestellt werden. Das Risiko, dass Schäden durch Röntgenstrahlen verursacht werden, unterliegt den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit. Es gibt keinen Schwellenwert. Allerdings ist das Risiko, durch einzelne Röntgenaufnahme einen Strahlenschaden zu verursachen, zu vernachlässigen.
Was ist der Unterschied einer Ultraschalluntersuchung gegenüber einer Röntgenuntersuchung?
Moritz: Prinzipiell sind es zwei völlig verschiedene Verfahren. Röntgenstrahlen werden beim Durchdringen eines Körpers von den verschiedenen Geweben entsprechend ihrer Dichte unterschiedlich abgeschwächt. In Luft werden Röntgenstrahlen nur minimal geschwächt. Bei einer Lungenentzündung wird die Luft in der Lunge durch entzündliches Sekret verdrängt und die Röntgenstrahlen entsprechend stärker abgeschwächt. Daher erscheint eine Lungenentzündung auf dem Röntgenbild als Verdichtung.