Prof. Vahid Sandoghdar, einer der Initiatoren des Zentrums für Physik und Medizin in Erlangen (ZPM), erklärt im Interview mit MEDICA.de, was die Hauptziele der interdisziplinären Schnittstelle sind, welche Forscher dort in Dialog miteinander treten sollen und was die Einbeziehung biomechanischer Faktoren in der Medizin leisten kann.
Prof. Sandoghdar, welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von dem neuen Zentrum?
Prof. Vahid Sandoghdar: Wir möchten physikalische Konzepte und Methoden in die medizinische Grundlagenforschung miteinbringen. In der Medizin hat man immer schon mit Physikern zusammengearbeitet, zum Beispiel um Diagnostikgeräte oder Bildgebungsgeräte zu realisieren, die man heute in jedem Krankenhaus findet. Jeder Operations- und Untersuchungsraum ist mit Technik - also Physik - ausgestattet. Die Physik hat also schon immer zur Praxis in der Medizin sehr viel beigetragen.
Wir möchten erreichen, dass die grundlegende medizinische Forschung auch physikalisch untersucht wird. Im Moment ist es so, dass wir Krankheiten eher mit biochemischen, zellbiologischen, oder genetischen Methoden untersuchen. Das sind Laborprozesse, die man aus einem Biologiestudium oder einem Medizinstudium kennt. Wir denken, dass auch Methoden aus der Physik oder aus der mathematischen Modellierung hier eine wichtige Rolle spielen können. Die Mess- und Denkweise aus der Physik können in der Medizin ebenfalls eingesetzt werden.
Physiker sind es gewohnt, für eine bestimmte Messung eine ganze Maschinerie zu entwickeln und dabei sehr empfindlich zu messen - um beispielsweise den Zuckergehalt, den PH-Wert oder die Konzentration von Ionen im Gewebe zu messen. Alle diese Methoden können noch so weiterentwickelt werden, dass man auch auf einer Kleinstnetzskala sehr empfindlich messen könnte. Man könnte zum Beispiel einzelne Proteine und ihre Verteilung in der Zelle oder im Gewebe bestimmen.
Was bedeutet dies zum Beispiel für die Früherkennung von Krankheiten?
Sandoghdar: Wir möchten Methoden entwickeln, um empfindliche Messungen wie in der Biophysik auch im medizinischen Kontext durchführen zu können. Wenn man alles auf der molekularen Ebene bis ins kleinste Detail misst, charakterisiert und versteht, bekommt man neue Informationen. Diese können neuen Input für Leute geben, die Medikamente entwickeln, oder versuchen Krankheiten zu heilen. Die Idee ist, dass wir alle Methoden, die wir aus der Mikroelektronik, Nanotechnologie, optischer Mikroskopie, Mikrofluidik und Nanofluidik kennen, einsetzen, um sehr empfindliche lokale Untersuchungen durchzuführen. Man kann zum Beispiel Moleküle anhand von Fluoreszenz detektieren, aber es gibt auch Methoden, die ohne Fluoreszenzmarker funktionieren. Es besteht dabei eine Verbindung zu Methoden wie Lab-on-a-Chip.