Ein bewährtes Prinzip der medizinischen Wirkstoffforschung ist es, krankmachende Proteine im Körper durch das Einbringen von kleinen Molekülen zu hemmen, die an einer bestimmten Position fest an das krankmachende Protein binden und es so manipulieren oder hemmen. Ein Prinzip, das mit dem Schlüssel-Schloss-Prinzip vergleichbar ist: Die sogenannten kleinen Moleküle (Schlüssel) passen in eine bestimmte Bindungsstelle (Schloss) des krankmachenden Proteins und schalten es so aus.
Das Problem: Es gibt potenziell eine riesige Anzahl an mehr oder weniger gut passenden Schlüsseln (kleinen Molekülen), die Grundlage für einen neuen medizinischen Wirkstoff sein könnten und potenziell alle getestet werden müssen. Computersimulationen, die die aufwendigen Laborexperimente ersetzen, haben das Potenzial, diese Probleme zu lösen.
"In einer Computersimulation können wir die Fähigkeit eines kleinen Moleküls, an ein krankmachendes Protein zu binden – auch 'docken' genannt –, testen. Macht man dies mit vielen kleinen Molekülen, nennen wir das virtuelles Screening. Diesen Ansatz gibt es bereits, allerdings konnte bisher routinemäßig nur eine relativ geringe Zahl von kleinen Molekülen in solchen virtuellen Screenings getestet werden", erläutert Christoph Gorgulla, Postdoctoral Research Fellow an der Harvard University, der mit einem Stipendium des Einstein Center for Mathematics (ECMath) an der Freien Universität Berlin promovierte und auf dessen Promotion die wesentlichen Ergebnisse der Veröffentlichung beruhen.
"Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, deutlich mehr kleine Moleküle virtuell zu screenen als bisher. Uns interessierte dabei nicht nur die klassische Unterscheidung 'passt' oder 'passt nicht', sondern 'passt besser' und 'passt schlechter'. Denn diese sogenannte Bindungsstärke ist eine der wichtigsten Eigenschaften von Wirkstoffen."
Dazu erstellte das Team eine der größten Molekülbibliotheken der Welt, die Docking-Moleküle bereitstellt, indem es die dreidimensionale Geometrie von mehr als 1,4 Milliarden kleinen Molekülen berechnete und in der Datenbank festhielt.
Diese Daten stehen als open source zur Verfügung und können von Wirkstoffforschern auf der ganzen Welt genutzt werden. Zusätzlich entwickelte das Forschungsteam die Plattform "Virtual Flow", die es ermöglicht, in kurzer Zeit nicht nur Millionen, sondern Milliarden von kleinen Molekülen parallel durch Computersimulationen auf ihre Bindungsfähigkeit an ein bestimmtes Protein zu testen.
MEDICA.de; Quelle: TU Berlin