Immer mehr Menschen erkranken an Demenz, sichere und einfache Diagnosemethoden sind entscheidend, um die Betroffenen möglichst früh medizinisch begleiten zu können. Weltweit wenden Ärzte hierfür den Uhrentest an. Das Verfahren ist standardisiert und einfach: Der Patient bekommt ein Blatt Papier mit einem vorgezeichneten Kreis vorgelegt und soll die Ziffern einer Uhr einzeichnen, um anschließend zum Beispiel die Uhrzeit 11.10 Uhr einzutragen.
Je nachdem, wie stark die Zeichnung von der richtigen Lösung abweicht, lassen sich Rückschlüsse auf das Ausmaß der Hirnfunktionsstörung ziehen. Die behandelnde medizinische Fachperson vergibt in der Bewertung des Tests üblicherweise Punkte, ähnlich wie Schulnoten zwischen eins und sechs. Ein Punkt bedeutet eine perfekte Lösung, bei drei ist die Uhr schon fehlerhaft. Mit steigender Punktzahl werden die gezeichneten Uhren immer unklarer. Ab drei Punkten gehen Mediziner von einer relevanten kognitiven Störung, oft im Rahmen einer Demenz aus.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. med. Markus Weih war früher Leiter der Gedächtnisambulanz an der psychiatrischen Klinik. Das Ziel von Prof. Andreas Maier vom Lehrstuhl für Mustererkennung der FAU war es, die Auswertung künstlichen neuronalen Netzen beizubringen, um medizinische und psychologische Fachleute in der Praxis zu unterstützen. Prof. Weih scannte Uhren und Testergebnisse ein und schickte die Daten an den Lehrstuhl.
Dort begann ein Team unter der Leitung von Maier damit, die Daten zu digitalisieren. Im Rahmen seiner Masterarbeit übernahm Harb Alnasser Alabdalrahim die Aufgabe, die tiefen neuronalen Netze der Hochleistungsrechner mit den Uhren zu "füttern". In kurzer Zeit lernten diese, den Zeichnungen die richtige Diagnose zuzuordnen. "In über 96 Prozent der Fälle ordnen die neuronalen Netzwerke richtig zu, ob es sich um einen nicht-pathologischen oder einen pathologischen Befund handelt", erklärt Maier. Und in über 98 Prozent der Fälle sei die zugeordnete Erkrankungsstufe korrekt. "Das sind sehr gute Ergebnisse." Neu sind dabei nicht die Prozesse, es ist bekannt, wie in den tiefen Netzen die Verschaltungen gelernt werden, wobei sich der Lernalgorithmus deutlich von dem im menschlichen Gehirn unterscheidet. Nach über 1000 Trainingsiterationen konnten die künstlichen neuronalen Netze sehr genaue Ergebnisse liefern.
Die Hoffnung der Forscher ist es, dass künftig eine einfach zu handhabende App medizinisches Personal in der Diagnose von Demenz weltweit unterstützen kann. "Das Personal muss natürlich auch künftig den Uhrentest kennen und standardisiert anwenden", macht Maier deutlich, "doch anschließend kann es die App nutzen, um damit den Test abzufotografieren und sofort eine Auswertung zu bekommen." Wer sich in der Bewertung eines Tests unsicher sei, erhalte über die App eine Art Zweitmeinung. Dies bringe mehr Zuverlässigkeit in den Diagnosen sowie eine bessere Graduierung und Abgrenzung von Demenzfällen. Letzteres sei in der klinischen Forschung von großem Interesse.
MEDICA.de; Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg