Speziell chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind wahrscheinlich eng mit der Zusammensetzung und Balance des Darmmikrobioms verknüpft. Doch wie das Mikrobiom und die Krankheitsentstehung ursächlich zusammenhängen und was die Zusammensetzung des Mikrobioms im Individuum bestimmt, ist noch weitgehend ungeklärt.
Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben nun mögliche Einflüsse der Genetik, also der individuellen menschlichen Erbinformationen, auf die Ausprägung des Mikrobioms untersucht. Dazu haben sie in einer großangelegten Genomuntersuchung mit Daten von rund 9000 Probanden nach konkreten Verbindungen zwischen Genetik und besiedelnden Mikroorganismen gesucht. Das Forschungsteam vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) unter Leitung von Prof. Andre Franke konnte unter anderem einen bislang unbekannten Zusammenhang von für die Blutgruppe verantwortlichen genetischen Variationen und dem Vorkommen und der Häufigkeit bestimmter Bakterienarten belegen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Rahmen des CAU-Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 "Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen" in Nature Genetics.
Die Publikation baut auf Erkenntnissen aus einer kleineren Studie auf, die erste Hinweise auf den Einfluss der genetischen Variationen auf das Darmmikrobiom fand. Nun gelang es den Wissenschaftlern, Darmmikrobiom-Proben aus fünf umfangreichen Kohorten von drei deutschen Standorten - vor allem aus Kiel, Augsburg und Greifswald - zu analysieren und damit die bundesweit größte sogenannte genomweite Assoziationsstudie (GWAS) durchzuführen. Dabei stieß das Forschungsteam auf 38 auffällige sogenannte genetische Loci, also die physischen Positionen einzelner Gene innerhalb der gesamten Erbinformationen, die auf einen Zusammenhang von individueller Genetik und der Zusammensetzung des Mikrobioms hinweisen.
"Die interessanteste Beobachtung haben wir im Zusammenhang der genetischen Faktoren gemacht, die für die Ausprägung der Blutgruppe beim Menschen verantwortlich sind", hebt Erstautor Dr. Malte Rühlemann, Wissenschaftler am Kieler IKMB und SFB 1182-Mitglied hervor. "Diese für das AB0-Blutgruppensystem verantwortlichen Gene entscheiden über die Zugehörigkeit zu einer der darin zusammengefassten Blutgruppen. Bei einigen Menschen, den sogenannten 'Sekretoren', werden diese Blutgruppenantigene nicht nur auf der Oberfläche von roten Blutkörperchen gebildet, sondern auch in den Darm abgegeben. Dies sind vor allem Zuckerreste, die von einigen Bakterien der Bacteroides-Gruppe vermutlich als Energiequelle genutzt werden können, so dass diese vermehrt vorkommen. Insbesondere bei Menschen mit den Blutgruppen A, AB oder B scheint der Mechanismus also direkt das Vorkommen dieser Bakterien im menschlichen Darm zu begünstigen", so Rühlemann weiter.
Dieser Zusammenhang hat potenziell eine große gesundheitliche Bedeutung, denn bei etwa 20 Prozent der weltweiten Bevölkerung, die zur Gruppe der 'Nicht-Sekretoren' gehören sowie bei Personen mit der Blutgruppe 0, fällt die Abgabe der Zuckerreste weg und ihre Mikrobiom-Zusammensetzung weicht in der Folge ab. "Diese Stoffwechselprodukte scheinen wichtige Moleküle in der Interaktion von Wirt und verschiedensten Mikroorganismen zu sein", erklärt Rühlemann. "Frühere Studien konnten zeigen, dass Menschen ohne diesen Sekretionsweg zum Beispiel besser vor Norovirus-Infektionen geschützt sind", so Rühlemann weiter.
MEDICA.de; Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel