Weil er einfach, schnell und kostengünstig ist, könnten Forschende damit in Zukunft jedoch in einem frühen Stadium der Medikamentenentwicklung eine große Zahl von Wirkstoffkandidaten testen. Embryoschädigende Substanzen würden damit frühzeitig erkannt und nicht erst bei Embryotoxizitäts-Tierversuchen auffallen, die wegen ihrer hohen Kosten viel später im Medikamentenentwicklungs-Prozess durchgeführt werden. Der neue Test vermeidet damit potenzielle Leerläufe, wodurch Kosten eingespart und Tierversuche reduziert werden können.
Das neue Verfahren ist eine Weiterentwicklung des Embryonalen Stammzell-Tests, bei dem Substanzen an sogenannten "Embryoid Bodies" in vitro getestet werden. Embryoid Bodies sind dreidimensionale Zellklumpen, die aus embryonalen Stammzellen – in diesem Fall von einer Maus – entstanden sind und während zehn Tagen die ersten Schritte der Embryonalentwicklung durchmachen. Lebensfähige Embryonen entstehen daraus nicht.
Die Wissenschaftler aus der Gruppe von ETH-Professor Andreas Hierlemann erweiterten diesen Embryonalen Stammzell-Test nun um menschliches Lebergewebe. "Es gibt eine ganze Reihe von Substanzen, die in ihrer Urform nicht toxisch sind, vom menschlichen Stoffwechsel – vor allem durch die Leber – jedoch zu schädlichen Stoffen umgewandelt werden", erklärt Julia Boos, Doktorandin in Hierlemanns Gruppe. Im Gegensatz zum herkömmlichen Embryonalen Stammzell-Test können solche Stoffe mit dem neuen Test erkannt werden.
Der neue Test findet von A bis Z auf einem einzigen Zellkultur-Chip mit verschiedenen Kompartimenten statt. Darin befinden sich Mikrogewebe-Kügelchen aus menschlichen Leberzellen sowie die aus Mauszellen gewachsenen Embryoid Bodies. Lebermikrogewebe und Embryoid Bodies haben einen Durchmesser von rund einem halben Millimeter und befinden sich in unterschiedlichen Kompartimenten, welche durch Mikrokanäle miteinander verbunden sind. Diese Mikrokanäle gewährleisten einen konstanten Flüssigkeitsaustausch zwischen den verschiedenen Zellverbänden.
"Wir sind die ersten, die in einem Body-on-a-Chip-Ansatz Leberzellen mit Embryonalzellen direkt miteinander kombinieren", sagt Boos. So wie im Körper einer schwangeren Frau die Stoffwechselvorgänge in der Leber und jene im heranwachsenden Embryo durch den Blutkreislauf miteinander verbunden sind, findet in ihrem zusammenhängenden System eine permanente Wechselwirkung von Leberzellen und Embryonalzellen statt. "Von Leberzellen erzeugte Metaboliten wirken direkt auf die Embryonalzellen – auch jene Metaboliten, die nur für wenige Minuten stabil sind", so Boos. Dies sei ein Vorteil gegenüber anderen existierenden In-vitro-Tests, in denen die Verstoffwechslung von Substanzen und die Einwirkung der Metaboliten auf Embryonalzellen getrennt untersucht werden.
Ein weiterer Vorteil des neuen Tests: "Im Gegensatz zu Versuchen mit lebenden trächtigen Mäusen werden die zu untersuchenden Substanzen in unserem Test von menschlichen Leberzellen metabolisiert, also so, wie das auch im menschlichen Körper sein wird, in dem das Medikament später zur Anwendung kommen soll", sagt Boos. Dies sei relevant, weil sich der Stoffwechsel von Mensch und Maus unterscheide.
Bevor der Test in der Medikamentenentwicklung angewandt werden kann, müssen die Wissenschaftler diesen erst noch weiterentwickeln. Ein besonderes Augenmerk legen die Forschenden dabei auf die eingesetzten Materialien sowie die Automatisierbarkeit des Tests. Außerdem möchten die Wissenschaftler einen Test entwickeln, bei dem statt Maus-Stammzellen reprogrammierte menschliche Stammzellen verwendet werden. Damit hätten sie einen In-vitro-Test, der komplett auf menschlichem Gewebe basiert.
MEDICA.de; Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)