Eigentlich sehen sie ganz unspektakulär aus, die Gewebemodelle aus dem Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien (TLZ-RT), das seit dem Jahr 2017 zum Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg gehört. In den transparenten Plastikplatten mit kreisrunden Vertiefungen lagern Zellkulturträger in hellrosa Nährlösung. Doch hinter dem nüchternen Aussehen verbirgt sich etwas, das die Entwicklung von Wirkstoffen und Arzneimitteln revolutionieren könnte. Auf den unscheinbaren Trägern werden nämlich ganze organotypische Gewebemodelle kultiviert: z. B. nicht nur einzelne Zellen des Verdauungstraktes, sondern Darm-Organoide, die alle wesentlichen Zellen der Darmschleimhaut enthalten, oder nicht nur einzelne Zellen aus den Atemwegen, sondern ein Zellmodell der menschlichen Atemwegs-Schleimhaut, die das primäre Zielgewebe von SARS-CoV-2 darstellt.
Aktuell untersucht das Fraunhofer-Team gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Bodem am Institut für Virologe Würzburg definierte Substanzen auf ihre Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2, das Virus, das für die gegenwärtige Corona-Pandemie verantwortlich ist. "Gemeinsam mit unseren Kollegen aus der Virologie analysieren wir, ob sich durch die Zugabe bestimmter Substanzen die Vervielfältigung der Viren in den Gewebemodellen aufhalten lässt. Außerdem untersuchen wir, wie sich eine Infektion mit SARS-CoV-2 auf die Funktionalität - z. B. Barrierefunktion oder Schleimbildung - der Atemwegsmodelle auswirkt. Mit unseren Modellen der Atemwege erhalten wir somit ein umfassendes Bild über die wahrscheinlichen Prozesse, wie sie wohl auch nach einer Infektion im Menschen ablaufen würden", so Projektleiterin Dr. Maria Steinke vom TLZ-RT.
Ein weiterer Baustein zur Bekämpfung der Corona-Pandemie könnten auch Frühwarntests sein, die bereits in einem sehr frühen Stadium der Infektion zuverlässig auf SARS-CoV-2 reagieren. "Hier könnte eventuell die Tatsache nützlich sein, dass Betroffene häufig über Magen-Darm-Beschwerden zu einem relativ frühen Infektionszeitpunkt berichten. Ob und wie das mit den Corona-Viren zusammenhängt, ist noch unklar. Aber hier könnte man z. B. unsere Modellsysteme für den Magen-Darm-Trakt anwenden, um das herauszufinden", ergänzt Dr. Marco Metzger, Leiter des Fraunhofer TLZ-RT. Gegenwärtig habe man beim Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG eine Reihe von Projektanträgen mit den Kooperationspartnern aus Würzburg und Leipzig gestellt, um diese Arbeiten weiter finanzieren zu können.
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC