Das DKMS Life Science Lab, wo täglich bis zu 7.000 Wangenabstrich-Proben potenzieller Stammzellspender analysiert werden, nimmt dabei eine Schlüsselposition ein.
Die preisgekrönte Arbeit mit dem Titel "Patterns of non-ARD variation in more than 300 full-length HLA-DPB1 alleles" (doi.org/10.1016/j.humimm.2018.05.006) beschäftigt sich mit bisher wenig untersuchten Regionen eines bestimmten HLA-Merkmals (human leukocyte antigene). HLA-Merkmale bilden eine Art Signatur der Zellen, die dem Körper bei einer Stammzelltransplantation signalisiert, ob es sich um körpereigenes oder körperfremdes Material handelt. Damit es nicht zu Abstoßungsreaktionen kommt, müssen die HLA-Merkmale nicht verwandter Spender und Patient möglichst genau übereinstimmen. "Deshalb ist es ungeheuer wichtig, möglichst viel über die Beschaffenheit von HLA-Merkmalen zu wissen", weiß Dr. Gerhard Schöfl, Leiter der Abteilung Bioinformatik im DKMS Life Science Lab. "Jede neue Entdeckung ist ein Schritt hin zu unserem Ziel, Stammzelltransplantationen erfolgreicher und sicherer zu machen."
Im Rahmen der HLA-Typisierung von Stammzellspender spielte bisher nur ein bestimmter Teil dieses Gens, das DPB1-Exon 2, eine Rolle. Von dieser Region weiß man schon länger, dass sie für die Spenderzuordnung wichtig ist. "Wir haben uns nun die vollständige Gensequenz sehr genau angeschaut", erklärt Steffen Klasberg, Senior Bioinformatiker und Erstautor der erfolgreichen Publikation.
Dabei nahmen die Forscher insbesondere zwei Gruppen von Varianten (Allelen) des HLA-DPB1-Gens ins Visier, die eine schon bekannte Besonderheit aufweisen: Obwohl beide auf der Allel-Ebene nahezu gleich erscheinen, sind die Merkmale der einen Gruppe hoch und die der anderen niedrig exprimiert. Das bedeutet: Die beiden basieren zwar auf derselben genetischen Grundlage, treten aber als unterschiedliche Phänotypen in Erscheinung. Warum das so ist, ist noch unbekannt. Beim tiefen Blick in die Sequenzdaten entdeckten die Wissenschaftler nun zwei Elemente innerhalb der Gensequenz, die dieses Rätsel möglicherweise entschlüsseln könnten.
Sie fanden heraus, dass eine bekannte Mikrosatellitenregion, die eine große Anzahl von sich wiederholenden DNA-Sequenzen trägt, sich in ihrer Länge zwischen den beiden Allelgruppen unterscheidet. Man weiß bereits, dass diese Art von Wiederholungen einen Einfluss auf die Expression eines Gens haben kann. Darüber hinaus beobachteten Klasberg et al. auch einen interessanten Polymorphismus. Polymorphismen können in verschiedenen Allelvarianten unterschiedliche DNA-Basen an einer Position tragen. Die betreffende Position im HLA-DPB1-Gen befindet sich in einem CTCF-Element. CTCF-Elemente sind Regionen, die in der Lage sind, den Transkriptionsfaktor CTCF zu binden, der wiederum die Genexpression reguliert. Dies könnte durchaus ein Grund für die unterschiedlichen Expressionsniveaus zwischen den Allelgruppen sein. Folgestudien zu diesem Thema sind bereits geplant.
Für die Charakterisierung der DPB1-Sequenzen nutzten die Experten des DKMS Life Science Lab zwei verschiedene Sequenziermethoden: Die Illumina Shotgun-Sequenzierung und die PacBio Long-Read-Sequenzierung. "Die beiden Methoden ergänzen einander perfekt. Wir nutzen ihre jeweiligen Stärken und können auf diese Weise auch lange Gensequenzen in höchster Qualität auslesen", so Klasberg. Auch zu dieser Weiterentwicklung hat das Forscherteam um Klasberg und Dr. Schöfl vor Kurzem eine Studie (doi.org/10.1111/tan.13057) veröffentlicht.
MEDICA.de; Quelle: DKMS - Medizin & Wissenschaft