Die EMT wird häufig mit Kinasen in Verbindung gebracht – Enzymen, die wie ein Schalter biochemische Vorgänge in den Zellen an- oder abdrehen. Wissenschaftler um Dr. Gaetano Gargiulo am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) in Berlin haben nun herausgefunden, dass eine weitere Klasse von Proteinen, die Chromatin-Modulatoren, eine zentrale Rolle bei der EMT spielt. Damit haben sie einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sich Tumorzellen verändern. „Unsere Ergebnisse können dazu beitragen, therapeutische Strategien zu entwerfen, mit denen den Ausweichtaktiken von Tumorzellen ein Riegel vorgeschoben werden kann“, sagt Erstautorin Michela Serresi. Die Studie ist im Fachjournal Science Advances erschienen.
Die EMT macht die Tumorzellen so wandelbar, weil dabei ihre Polarität und die Bindungen untereinander aufbrechen. Der fließende Übergang zwischen Epithel- und Mesenchymalzellen spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Embryonen. Doch so lebenswichtig die EMT ist, so zerstörerisch kann sie sein. Bei soliden Tumoren befähigt sie die Tumorzellen dazu, sich aus ihrem Zellverbund zu lösen und durch den Körper zu wandern.
Dem Steuerungsmechanismus dieses Prozesses konnten die Wissenschaftler mithilfe einer Kombination aus einem molekularen Reporter und dem CRISPR-Interferenz-Screening auf den Grund gehen. Der molekulare Reporter basiert auf DNA-Abschnitten, die so umgewandelt worden sind, dass sie fluoreszieren, wenn in den Tumorzellen komplexe Prozesse ablaufen und sie zum Beispiel ihre Zellidentität ändern. In ihrer Studie konnten die Forschenden die EMT in Lungenkrebszellen mit einem Medikament beeinflussen und die Veränderung der Zellidentität mithilfe des molekularen Reporters beobachten.
Wenn die Chromatin-Proteine also den Subtyp der Tumorzellen bestimmen – regulieren sie dann auch die Transformation vom einen zum anderen Subtyp? Wie? Und welche Proteine sind einflussreicher? Um das herauszufinden, schnitt Serresi mit der Genschere CRISPR einzelne Chromatinstücke von den Zellgenen ab. In einigen Fällen, je nachdem, welche Proteine dabei stillgelegt wurden, reagierten die Tumorzellen, indem sie ihre Identität in die epitheliale oder mesenchymale Richtung veränderten.
Damit haben die Chromatine einen viel größeren Einfluss auf die EMT als bislang angenommen. „Während die Kinasen so etwas wie das Gaspedal für die EMT sind, bilden die Chromatinproteine die Gangschaltung, die das Tempo und die Richtung der Zellplastizität vorgeben“, umschreibt Gargiulo diesen Prozess.
„Mit dieser Erkenntnis kommen wir der Präzisionskrebstherapie ein Stück näher“, sagt der Wissenschaftler. „Denn wir verfügen damit über ein In-vitro-System, mit dem wir nicht nur die Auswirkungen einer Behandlung auf die Tumorzellen beobachten können, sondern auch, wie sie versuchen zu überleben, indem sie ihre Identität verändern.“ Ein detailliertes Verständnis der molekularen Mechanismen hinter der Plastizität von Krebszellen kann dazu beitragen, therapeutische Strategien zu entwickeln, die ihren Ausweichmanövern entgegenwirken.
MEDICA.de; Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft