Ausgehend von Hinweisen darauf, dass das Virus SARS-CoV2 häufig mit Nierenversagen in Verbindung steht, untersuchten Prof. Holger v. Jouanne-Diedrich von der Technischen Hochschule Aschaffenburg und die Leiterin des Transplantationszentrums des Uniklinikums Würzburg, Dr. Anna Laura Herzog, bei schwerkranken Covid-19-Patienten, ob man anhand einer vorliegenden Proteinurie (übermäßige Ausscheidung von Eiweiß über den Urin) ein Nierenversagen, die Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung und die Mortalität vorhersagen kann. Dazu verwendeten sie Machine-Learning-(ML)-Methoden, die teilweise an der TH Aschaffenburg entwickelt wurden.
Das von Jouanne-Diedrich entwickelte OneR-Paket ermöglicht es, auf einfache Weise Einflussfaktoren und Grenzwerte (Cut-Off-Punkte) zu finden. „Ich bin stolz, dass das OneR-Paket im Kampf gegen die Pandemie einen Beitrag leisten kann“, freut sich der Professor, der an der Technischen Hochschule Aschaffenburg im Bereich Künstliche Intelligenz lehrt und forscht sowie den neuen Studiengang Medical Engineering and Data Science mit konzipiert, aufgebaut und gestaltet hat. „Ich habe das Paket der interessierten Öffentlichkeit schon vor einiger Zeit kostenfrei zur Verfügung gestellt, damit auch andere Forscher sowie Datenanalysten in verschiedensten Bereichen daraus Nutzen ziehen können.“
Das Besondere an dem neu entwickelten Verfahren ist, dass die Ergebnisse in Form von leicht verständlichen Regeln dargestellt werden. Damit ist es oft komplizierteren Verfahren, wie zum Beispiel Neuronalen Netzen, sogenanntem Deep Learning, überlegen, welche schwer nachvollziehbar sind. Nicht nur im medizinischen Kontext ist eine gute Interpretierbarkeit der Ergebnisse von großer Wichtigkeit.
Von den in diesem Vorhaben einbezogenen 37 Corona-Patienten erlitten 24 ein akutes Nierenversagen, 20 Patienten benötigten eine Nierenersatztherapie, also regelmäßige Blutwäschen. Mehr als 40 % der Patienten waren auch nach Verlegung von der Intensivstation noch auf die Dialyse angewiesen, knapp ein Drittel der schwer kranken Patienten ist verstorben.
In der Studie wurde untersucht, ob sich das Nierenversagen im Falle einer schweren Covid-19-Infektion vorhersagen lässt und ob es Blutwerte der Routinebehandlung gibt, die den Verlauf prognostizieren können. Bei einer akuten Erkrankung der Niere gehen häufig Blutproteine verloren, die dann im Urin nachgewiesen werden können. Es konnte bei den meisten Patienten, die später ein Nierenversagen entwickelten, schon am Aufnahmetag eine Proteinurie nachgewiesen werden. Der ML-Algorithmus konnte unter anderem den Proteinverlust, also die Nierenbeteiligung als eine wertvolle Variable zur Vorhersage des Verlaufs identifizieren und damit prognostizieren, ob eine längerfristige chronische Nierenerkrankung zu erwarten ist. OneR fand Cut-off-Punkte von >31,4 kg/m2 für den Body-Mass-Index (BMI) und >69 Jahre für das Alter, ab einem Wert darüber war das Sterberisiko bei den Patienten deutlich erhöht.
MEDICA.de; Quelle: Technische Hochschule Aschaffenburg