Im BMBF-Verbundprojekt "Magnetoceuticals" entwickelt das Konsortium aus Forschungs- und Industriepartnern einen neuartigen Ansatz zur Stimulation von Nervengewebe unter Nutzung elektromagnetischer Felder. Ein extern am Körper getragenes Elektronikgerät und ein rein passives, stark miniaturisiertes Implantat ohne eigene Elektronik und Elektrodenkontakte in Form eines biokompatibel gekapselten Magnetkörpers, sind die wesentlichen Bestandteile des Systems.
Die am Körper getragene Elektronik strahlt zeitveränderliche magnetische Felder in Richtung des Implantats ab. Das Implantat konzentriert diese und leitet sie an den Stimulationsort weiter. Gemäß den Maxwell-Gleichungen resultiert aus dem zeitveränderlichen Magnetfeld ein zeitveränderliches elektrisches Feld, das – bei geeigneter Wahl aller Parameter – im zu stimulierenden Gewebe ein Aktionspotenzial auslöst.
Die Innovation im "Magnetoceuticals"-Projekts besteht in der selektiven Stimulation von Nerven ohne Elektroden und implantierte Elektronik. Dies erspart Kabelverbindungen zwischen Implantatelektronik und Elektroden und Probleme wie Kabelbruch oder Elektrodenkorrosion werden vermieden.
Da das Implantat über keinerlei Elektronik verfügt, müssen keine besonderen Vorkehrungen zum Schutz des Implantats vor Feuchte getroffen werden und aufgrund des Fehlens einer Implantatbatterie ist die Implantatlebensdauer praktisch unbegrenzt. Somit entfallen chirurgische Eingriffe für einen Batteriewechsel komplett.
Zudem ist das Implantat aufgrund seines kleinen und einfachen Aufbaus unkompliziert zu im- und explantieren. Damit werden nicht zuletzt die Patientinnen und Patienten geschont. Die ohne Implantatbatterie auskommende und örtlich fokussierte Stimulation eignet sich besonders für Anwendungen, bei denen eine vorübergehende Stimulation zur Linderung von Symptomen erwünscht ist, wie beispielsweise zur Schmerzbehandlung, Senkung von Bluthochdruck, Bekämpfung von Migräne oder Reduzierung von Fettleibigkeit.
Computersimulationen wurden eingesetzt, um eine geeignete Systemkonfiguration zu finden und die Geometrie des Implantatkörpers zu optimieren. Nun gilt es, eine Elektronik zu entwickeln, die den nötigen zeitlichen Verlauf der Magnetfelder gewährleistet. Abschließend soll das System an Nervengewebe getestet werden.
Neben den bereits erwähnten Vorteilen des elektrodenlosen Stimulationssystems ergaben die Simulationen interessanterweise einen weiteren Vorteil hinsichtlich der Anwendersicherheit: Die Geometrie des Implantatkörpers kann so gestaltet werden, dass der Implantatkörper in die magnetische Sättigung eintritt, sobald er Magnetfeldern ausgesetzt wird, die die für die Stimulation erforderliche Stärke überschreiten. Eine Überstimulation durch extrem starke Magnetfelder kann somit allein durch das geschickte Design des Implantatkörpers ausgeschlossen werden.
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik