Ein neuer vielversprechender Ansatz, der die Lücke zwischen künstlicher und natürlicher Intelligenz schließt, ist das "Neuromorphic Engineering". Diesem Ansatz folgend hat ein interdisziplinäres Forscherteam der Universität Zürich, der ETH Zürich und des Universitätsspitals Zürich nun einen auf neuromorpher Technologie basierenden Chip entwickelt, der zuverlässig und genau komplexe Biosignale erkennt. Die Wissenschaftler wendeten diese Technologie erfolgreich auf die Detektion von zuvor aufgezeichneten Hochfrequenz-Oszillationen (HFO) an. Diese spezifischen Wellen im intrakraniellen Elektroenzephalogramm (iEEG) haben sich als vielversprechende Biomarker für jenes Hirngewebe etabliert, das epileptische Anfälle hervorruft.
Die Forscher haben zunächst einen Algorithmus zur HFO-Erkennung entworfen, der das natürliche neuronale Netzwerk im Gehirn nachahmt: ein kleines sogenanntes Spiking Neural Network (SNN). In einem zweiten Schritt wurde dieses SNN in eine fingernagelgroße Hardware implementiert, die über Elektroden neuronale Signale empfängt und im Gegensatz zu herkömmlichen Computern enorm stromsparend läuft. Sie ermöglicht Berechnungen mit einer sehr hohen Zeitauflösung, ohne dass dafür Internet oder Cloud-Computing nötig wären. "Unser Aufbau erlaubt es, raumzeitliche Muster in biologische Signalen in Echtzeit zu erkennen", sagt Giacomo Indiveri, Professor am Institut für Neuroinformatik der UZH und der ETH Zürch.
Auf Basis ihrer Erkenntnisse planen die Forschenden nun den Aufbau eines elektronischen Systems zur verlässlichen Echtzeit-Erkennung und -Überwachung von HFO. Im Operationssaal als zusätzliche Diagnosemethode eingesetzt, könnte dieses den Outcome neurochirurgischer Eingriffe verbessern.
Die Erkennung von HFO ist jedoch nicht nur dafür wertvoll. Langfristiges Ziel wäre es, auch ein Epilepsie-Überwachungsgerät für den Einsatz außerhalb des Spitals zu entwickeln, das die Auswertung der Signale einer großen Anzahl von Elektrodenkontakten über mehrere Wochen oder Monate ermöglicht. "Wir möchten dafür eine drahtlose Datenübertragung mit geringem Stromverbrauch integrieren – beispielsweise zur Datenerfassung auf einem Mobiltelefon", so Indiveri.
Johannes Sarnthein, Neurophysiologe am Universitätsspital Zürich, ergänzt: "Ein solcher tragbarer oder implantierbarer Chip könnte Phasen mit hoher oder niedrigen Anfallsneigung identifizieren und so eine personalisierte Medizin ermöglichen." Die Epilepsieforschung erfolgt am Zentrum für Epileptologie und Epilepsiechirurgie Zürich, einer Kollaboration von Universitätsspital Zürich, Schweizerische Epilepsie-Klinik und Universitäts-Kinderspital Zürich.
MEDICA.de; Quelle: Universität Zürich