Nicht nur in der Diagnostik von Infektionen, auch in der Forschung spielt die PCR-Reaktion eine große Rolle. Spätestens seit der Corona-Pandemie kennen alle diesen Begriff. Die BLINK AG aus Jena hat auf der MEDICA 2022 eine Technologie präsentiert, die die Anwendungsfelder der PCR revolutionieren könnte: die BLINK Beads.
Im Interview mit MEDICA.de spricht Dr. Hartmut Bocker über die BLINK Beads und ihre Einsatzmöglichkeiten und er erklärt, wie sie die digitale PCR unterstützen und beschleunigen können – auch am Point-of-Care.
Herr Dr. Bocker, was für eine Technologie steht hinter BLINK DX beziehungsweise den BLINK Beads?
Dr. Hartmut Bocker: Wir haben eine völlig neue Technologie für den Nachweis von Nukleinsäuren im diagnostischen und R&D-Bereich entwickelt. Kern davon sind unsere BLINK Beads. Diese vereinen Probenvorbereitung und Nachweisreaktion, ermöglichen eine höchst sensitive und präzise digitale PCR, erlauben hochgradiges Multiplexing sowie rapide PCR im einstelligen Minutenbereich. Um all diese Vorteile nutzen zu können, haben wir Geräteplattformen für das wissenschaftliche Labor sowie für dezentrale In-vitro-Diagnostik am Point-of-Care, entwickelt.
Was bedeutet digitale PCR?
Bocker: "Digital" bezieht sich auf tausende separate Volumina, in denen jeweils Reaktionen parallel stattfinden. Diese bleiben je nach Vorhandensein von Analyten und spezifischen Primern entweder negativ oder werden positiv – ihr Ergebnis ist sozusagen "null" oder "eins".
Bei einer klassischen PCR wird geprüft, ob ein Analyt in einem Volumen vorhanden ist. Falls dem so ist, wird die gesamte Reaktion positiv. Möchte man quantifizieren, so bräuchte man eine Realtime-PCR um zu erkennen, bei welchem Zyklus die Reaktion positiv wurde, sowie eine Standardkurve als Referenz, um nachzuschlagen, wie hoch die Ausgangskonzentration eines Analyts dort war. Bei der digitalen PCR erhält man durch die Auswertung der tausenden parallelen Reaktionen absolute Werte – ganz ohne eine Referenz zu benötigen.
Welche Vorteile hat die digitale PCR?
Bocker: Gegenüber der quantitativen Realtime-PCR (qRT-PCR) ist die digitale PCR (dPCR) deutlich robuster. Für sie spielen Inhibitoren eine geringe Rolle, denn es ist egal, wann die Reaktion positiv wird, sei es nach 20 oder eher 30 PCR-Zyklen. Wir schauen einfach auf das Endergebnis nach 45 Zyklen: Wie viele Reaktionen sind positiv, wie viele negativ? Setzt man dieses Verhältnis in die sogenannte Poisson-Gleichung ein, kann errechnet werden, wie viel des jeweiligen Analyts – beispielsweise eines Virus‘ – ursprünglich in der Probe vorhanden war.
Diese Methode ist gut geeignet, um die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden. Besonders kleine Unterschiede zwischen Analyten. wie sie bei Kopienzahlaberrationen oder Genexpressionen benötigt werden, können besser als bei einer qRT-PCR dargestellt werden. Ebenso können Spuren von Erregern gefunden werden, einfach, weil es so viele parallele Reaktionen sind. In einer PCR, in der die Reaktion in einem großen Volumen stattfindet, würden diese wenigen Kopien einfach untergehen, überdeckt von unspezifischen Reaktionen. Die qRT-PCR hat Vorteile gegenüber der dPCR bei hohen Analytkonzentrationen. Daher haben wir eine Möglichkeit entwickelt, bei dem die Beads, falls die dPCR für eine Anwendung nicht genügen sollte, in jedem Zyklus detektiert und wie eine qRT-PCR ausgewertet werden können. Dies erlaubt die Analyse von Schmelzkurven.
Insgesamt ist die digitale PCR sensitiver, man kann Moleküle in einer geringeren Konzentration nachweisen, und dies in unserem Fall mit 10-15 Minuten je PCR deutlich schneller.
Was genau ist die Funktion der Beads?
Bocker: Sie erfüllen mehrere Aufgaben. Die Beads vereinfachen die Probenvorbereitung durch Aufkonzentrieren von Nukleinsäuren, können dank farbiger Partikel Coding-Informationen beinhalten, mit spezifischen Primern vorgekoppelt werden und bilden letztlich im weiteren Prozess die getrennten Reaktionsräume für die PCR.
Unsere Beads sind etwa 100 Mikrometer groß und bestehen aus einem Hydrogel, also einer schwammartigen Struktur bestehend aus circa 99 Prozent Wasser. Die Oberfläche des Gels ist chemisch funktionalisiert, sodass DNA oder RNA sequenzunabhängig reversibel gebunden werden kann – auch direkt aus einer lysierten Probe. Nutzer können an die Beads in einem vorherigen Schritt Primermoleküle binden. Diese definieren, wonach die PCR-Reaktion sucht, indem jedes Primerpaar unterschiedliche DNA- oder RNA-Sequenzen detektiert. Wenn man verschiedene Primer an jeweils unterschiedlich farbig kodierte Beads bindet und diese Gruppen von Beads zusammenführt, entsteht eine sogenannte Bibliothek, mit der eine Vielzahl von Nachweisreaktionen gleichzeitig in einer Probe durchgeführt werden kann. Die in die Beads eingebrachten magnetischen Partikel erlauben eine Probenbearbeitung mit klassischen Magnet-Racks.
Darüber können beispielsweise im Rahmen einer Liquid Biopsy in Blutplasma Teile von zellfreier DNA, cfDNA, eingefangen werden. Diese können Marker im Pränatalscreening oder für Erkrankungen wie Krebs sein. Die Nukleinsäuren der cfDNA reichern sich an der Oberfläche der Beads an, die dann durch Magnetismus extrahiert und im weiteren Verlauf für die PCR genutzt werden können. Damit können die Beads auch in der Probenvorbereitung eingesetzt werden. Für die PCR selbst werden die Beads dann vereinzelt, indem wir sie in ein Öl einbringen. Da die Beads wässrig sind, bleiben sie in dem Öl räumlich getrennt. So bleiben auch die Einzelreaktionen getrennt, es können keine Analyte oder Reagenzien mehr zwischen Beads ausgetauscht werden.
Diese Probenaufbereitung, dieser integrierte Arbeitsablauf, ist in unseren Augen das Alleinstellungsmerkmal: Die Analyte werden durch die Beads angereichert und es geht sehr wenig verloren, weil die Beads als Einheit von der Vorbereitung in die Analyse überführt werden. Zusammen mit dem Multiplexing durch Farbcodierung können so Zeit und Geld gespart werden.
Was wäre ein praktisches Beispiel, in dem die Beads diese Vorteile ausspielen?
Bocker: In der Corona-Pandemie mussten zeitweise PCR-Ressourcen eingespart werden. Deshalb wurden Tests als Pool-Reaktionen durchgeführt, Proben also zusammengeführt. Wenn dieser Pool positiv war, mussten alle Einzelproben nochmal getestet werden. Mit den Beads wäre es möglich, die Proben zusammen zu testen. Man könnte jeder Einzelprobe eine Farbe zuweisen und so einfach ohne Wiederholung herausfinden, welche Probe positiv ist.
Sind die Beads theoretisch auch geeignet für die Point-of-Care-Diagnostik?
Bocker: Ja. Momentan fokussieren wir noch Forschung und Entwicklung in den Life Sciences. Unser Gerät dafür ist das BLINK X. Labore können damit die Beads kennenlernen, ihre Assays transferieren und optimieren oder neu entwickeln. Hier erfordert der Workflow noch manuelle Arbeitsschritte. Wir planen aber definitiv in die Richtung von mehr Automatisierung und Hochdurchsatzanalysen.
Auch ein Point-of-Care-Gerät für In-vitro-Diagnostik, das BLINK One, wollen wir auf den Markt bringen. Auf dem Blink X entwickelte Assays können mit kleineren Anpassungen auf diese Plattform übertragen werden. Eine vorbereitete Kartusche wird die Beads in gefriergetrockneter Form sowie die weiteren Reagenzien enthalten. Damit können wir den kompletten Prozess des Nachweises, bestehend aus Probenlyse, Reaktionsvorbereitung, rapidPCR (weniger als zehn Minuten Dauer) und Datenauswertung mit dem Gerät vollautomatisch in etwa 30 bis 40 Minuten durchführen. Andere Systeme benötigen allein für die digitale PCR zwei bis drei Stunden. Das BLINK One wird noch in diesem Jahr der Öffentlichkeit präsentiert.
Das Interview wurde geführt von Timo Roth.
MEDICA.de
Ausstellerdatenblatt