Leitlinien geben Empfehlungen, wie eine Erkrankung festgestellt und behandelt werden sollte. Sie richten sich vor allem an Ärztinnen und Ärzte, aber auch an Pflegekräfte und andere Fachleute im Gesundheitswesen sowie an Patientinnen und Patienten.
"Mit der Leitlinie ist der therapeutische Einsatz von kaltem physikalischem Plasma jetzt zu einem etablierten Verfahren insbesondere bei chronischen und infektionsgefährdeten Wunden geworden“, sagte Klinikdirektorin Prof. Andrea Rau. "Die Leitlinie schafft für alle Beteiligten mehr Versorgungssicherheit und soll helfen, das Potenzial dieser neuen Technologie besser auszuschöpfen und Behandlungsfehler zu vermeiden. Nicht nur in der MKG-Chirurgie an der Greifswalder Unimedizin mit ihren komplexen plastischen Operationen ist die Plasmamedizin inzwischen ein fester Bestandteil und nicht mehr wegzudenken.“
Der erfolgreiche Durchbruch hat seine Wurzeln im Plasmamedizin-Cluster Greifswald. Hier wirken die Universitätsmedizin, das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) und die neoplas med GmbH zusammen. "Aus diesem international einzigartigen Verbund von exzellenter Grundlagenforschung in den Labors, studiengestützter Anwendung an Patientinnen und Patienten und forschungsnaher industrieller Fertigung beim Weltmarktführer für Jetplasma-Medizingeräte entstehen derzeit die entscheidenden Impulse für die Entwicklung der Plasmamedizin", betonte der Vorstandsvorsitzende des Nationalen Zentrums für Plasmamedizin e.V., der Greifswalder Professor Hans-Robert Metelmann. "Mit dieser Leitlinie hat sich die Plasmamedizin als effektive Therapiestrategie erfolgreich etabliert."
Plasmamedizin wird, seit 2013 die ersten Geräte zugelassen worden sind, in vielen Kliniken der Universitätsmedizin Greifswald erforscht. Klinisch kommt die Plasmamedizin in Greifswald besonders dann zum Einsatz, wenn es um Wunden geht, die nicht heilen. Hier kann Kaltplasma, das zum Beispiel in einem Handgerät als ionisiertes Gas erzeugt wird und dann als körperwarmer, präzis zu führender Strahl auf eine Wundfläche einwirkt, Problemkeime berührungslos abtöten und alle Prozesse zum Verschluss der Hautdecke anregen.
"Die Mitwirkung so vieler medizinischer Disziplinen an der Leitlinie zeigt ein breitgefächertes Interesse an einer wissenschaftlich basierten und qualitätsorientierten Weiterentwicklung der Plasmamedizin für Klinik und Praxis“, ist sich Oberarzt Dr. Christian Seebauer sicher, der die Sprechstunde in der MKG-Chirurgie leitet. Ein Zeichen für die gewachsene Bedeutung der Plasmamedizin sei auch, dass die rationale Anwendung von Kaltplasma inzwischen in der neuen STERN-Ärzteliste vom 8. März 2022 als spezielle Behandlungsmöglichkeit eingeführt ist, hier im Zusammenhang mit der Dermatologischen Lasermedizin: "Plasmamedizin zur Prävention von Wundinfektionen“.
Bei kaltem physikalischem Plasma im Sinne der Leitlinie handelt es sich um ionisiertes Gas im Temperaturbereich der Körpertemperatur, das durch elektrische Energie entsteht. Plasma wird mit als Medizinprodukt zugelassenen Geräten unmittelbar während der Behandlung erzeugt und angewendet. In der wissenschaftlichen Literatur und bei der medizinischen Anwendung sind weitere Bezeichnungen in Gebrauch, unter anderem Cold Atmospheric Pressure Plasma, CAP, kaltes Atmosphärendruckplasma, kaltes Plasma, Kaltplasma, physikalisches Plasma, Tissue Tolerable Plasma, Nonthermal Plasma, Niedertemperaturplasma, NTP. Ein gebräuchlicher klinischer Terminus lautet Plasma. Eine der wichtigsten Vorteile der Kaltplasmaanwendung im Vergleich mit anderen antimikrobiellen Behandlungen ist die Wirksamkeit gegen vielfach resistente Haut‐ und Wundkeime.
Plasmamedizin verbindet Plasmaphysik und Lebenswissenschaften in einem Forschungsgebiet, das sich mit der medizinischen Anwendung physikalischer Plasmen befasst. Die biologische und medizinisch nutzbare Wirksamkeit kalter Atmosphärendruckplasmen beruht vor allem auf der komplexen Wirkung reaktiver Sauerstoff- und Stickstoffspezies. Elektrische Felder und emittierte UV-Strahlung spielen eine unterstützende Rolle. Im Mittelpunkt des Forschungs- und Anwendungsinteresses stehen drei grundsätzliche Plasma-Effekte: Die mögliche Abtötung eines breiten Spektrums von Mikroorganismen einschließlich multiresistenter Bakterien und Viren; die Stimulation der Regeneration verletzten Gewebes durch Anregung des Zellwachstums, der Zellmigration und der Bildung neuer Blutgefäße und das Auslösen von Prozessen des regulierten Zelltodes, vor allem in Krebszellen.
MEDICA.de; Quelle: Universität Greifswald