"Organ-on-Chip-Systeme können den Bedarf an Tierversuchen reduzieren und diese vielleicht sogar ganz ersetzen. Darüber hinaus lassen sich durch sie prädiktive menschliche Daten gewinnen, noch bevor teure und langwierige klinische Studien tatsächlich beginnen", sagt Loskill. Der Biophysiker leitet die Organ-on-Chip-Forschungsgruppe am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart.
Obwohl die OoC-Technologie ein enormes Potenzial hat, ist sie dennoch sehr komplex. Organ-on-Chip-Systeme enthalten menschliche Zellen, Gewebe oder Mini-Organe, deren eigene Mikroumgebung sie nachahmen und dabei gleichzeitig reale Gewebefunktionen übernehmen. Dies erfordert ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit − vor allem zwischen Biologie, Ingenieurwissenschaft und Physik. Der Austausch zwischen diesen Disziplinen wird erst seit Kurzem intensiviert. "Deswegen haben wir die European Organ-on-Chip Society gegründet: um alle relevanten Interessengruppen zusammenzubringen und ein Expertennetzwerk aufzubauen. Auf diese Weise bieten wir eine Plattform für den fachübergreifenden Austausch von wissenschaftlichem Wissen und zur Erörterung von Kooperationsmöglichkeiten", erläutert Janny van den Eijnden-van Raaij, Geschäftsführerin der EUROoCS und Leiterin des niederländischen hDMT-Forschungsinstituts. "Die frühzeitige Einbeziehung aller Beteiligten ist der Schlüssel zum Erfolg und zur schnellen Entwicklung der Organ-on-Chip-Technologie."
Ganz oben auf der Agenda der EUROoC steht die Identifizierung von Fallbeispielen, die das Potenzial der OoC-Technologie offenlegen und aufzeigen, wie sie bei der Entdeckung sicherer und wirksamer Medikamente einen entscheidenden Unterschied machen kann. Zu diesem Zweck fördert die EUROoCS die Entwicklung zuverlässiger und robuster Modellsysteme, offene Technologieplattformen, Standardisierungsprozesse sowie die Diskussion ethischer Aspekte. "Wir müssen an Ansätzen für die Integration physikalischer oder chemischer Sensoren arbeiten und sicherstellen, dass die Testsysteme reproduzierbare und vergleichbare Ergebnisse liefern und auch aus regulatorischer Sicht standardisiert werden können", sagt Vorstandsmitglied Albert van den Berg, Professor für Sensorsysteme für biomedizinische und ökologische Anwendungen an der Universität Twente, Niederlande. "Und wenn wir wirklich etwas bewirken wollen, müssen wir außerdem frühzeitig darüber nachdenken, wie diese Systeme hergestellt und in den Workflow des Benutzers integriert werden können."
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB