Normalerweise lernen Menschen durch Übung und Wiederholung, wodurch im Gehirn ein Prozess angeregt wird, der sich neuronale Plastizität nennt. Eine zelluläre Basis für solche Plastizitätsprozesse besteht in der Langzeitpotenzierung, einer Fähigkeit von Gehirnzellen, die Kommunikationsstärke zwischen einzelnen Nervenzellen zu verbessern.
An diese Langzeitpotenzierung angelehnt hat das Forschungsteam stimulationsbasierte Lernmethoden entwickelt. Dabei werden Sinne, beispielweise der Seh- oder Tastsinn, rhythmisch stimuliert. Ein gut untersuchtes Beispiel dafür ist die elektrische Stimulation der Fingerspitzen, die – wenn sie mit der richtigen Frequenz angewandt wird – die Tastfähigkeit der Finger nachweislich erhöhen kann. Studien zeigen, dass diese Stimulation der Fingerspitzen zu bedeutenden Plastizitätsprozessen im somatosensorischen Cortex führt. Ob dabei allerdings auch tatsächlich Langzeitpotenzierung stattfindet, ist noch nicht bewiesen.
Die Neurowissenschaftler der RUB haben daher stimulationsbasiertes Lernen bei Freiwilligen mittels Elektroenzephalografie untersucht. Dabei wollten sie die Aktivität der Nervenzellen während eines Lernprozesses sichtbar machen. Sie führten zwei Experimente mit zwei Gruppen von Probanden durch. Das erste Experiment diente lediglich der Absicherung, dass die in diesem Versuch verwandte Methode der Stimulation mit pulsierenden Luftkissen denselben steigernden Effekt auf das Tastempfinden hat wie die etablierte Methode der elektrischen Stimulation. Die elektrische Variante konnte in diesem Fall nicht zum Einsatz kommen, da sie das Signal der EEG-Aufnahme gestört hätte.
Im zweiten Experiment erhielten die Freiwilligen 40 Minuten lang eine schmerzfreie Stimulation des Fingers mit den Luftkissen. Gleichzeitig wurde durch das EEG die Aktivität im somatosensorischen Cortex der Probanden gemessen. Dabei konzentrierten sich die Wissenschaftler auf den Bereich dieses Hirnareals, in dem die Signale aus der rechten Hand verarbeitet werden.
"Durch die elektrophysiologischen Messungen der Gehirnaktivität konnten wir zeigen, dass zu aktiven Stimulationsphasen große Zellensembles ihre Aktivität an die Frequenz der Stimulation anpassen. Diese Reaktion bleibt über 20 Minuten hinweg konstant, ohne Zeichen von Gewöhnung, ganz ähnlich wie bei zellulärer Langzeitpotenzierung", erklärt Dr. Marion Brickwedde, Erstautorin der Studie.
MEDICA.de; Quelle: Ruhr-Universität Bochum