"Letztlich geht man davon aus, dass bei der Tiefen Hirnstimulation durch die hochfrequente, kontinuierliche Stimulation abnorme neuronale Aktivität im Zielgebiet unterdrückt wird", erklärt Prof. Andrea Kühn von der Charité in Berlin. Hier setzen auch die Forschungsprojekte an, die eine adaptive, also Feedback-kontrollierte Stimulation untersuchen – technische Innovationen ermöglichen ab 2021 die ersten Tests am Patienten. "Eine bedarfsgerechte Steuerung der Stimulation ist sinnvoll, weil die Bewegungsstörungen im Tagesverlauf schwanken", so Kühn. Eigentlich sollte die Stimulation nur in Phasen schlechter Beweglichkeit oder zur Unterdrückung der Tremorphasen oder unwillkürlicher Bewegungen eingesetzt werden. Darüber hinaus sind bei der chronischen Tiefen Hirnstimulation auch Nebenwirkungen wie Dysarthrie zu sehen, aber auch eine ausgeprägte Bradykinese. Beides könnte durch eine bedarfsgerechte intermittierende Stimulation positiv beeinflusst werden.
Entscheidend für die bedarfsbasierte Stimulation ist es, einen Biomarker zu identifizieren, der verlässlich den motorischen Status des Patienten widerspiegelt. Untersuchungen der letzten Jahre haben bei Parkinson-Patienten ein neuronales Signal aus dem Zielgebiet der THS identifiziert. Dabei handelt es sich um eine synchrone, oszillatorische Aktivität im sogenannten Beta-Frequenzbereich um 20 Hertz. Je ausgeprägter die Beta-Aktivität vorliegt, umso stärker ist der Patient motorisch durch Bradykinese und Rigor beeinträchtigt.
Die Beta-Aktivität wird durch die L-Dopa-Medikation und auch durch die Stimulation beeinflusst. Dabei ist das Ausmaß der Unterdrückung der Beta-Aktivität durch die Therapie eng gekoppelt an die motorische Verbesserung. Somit kann für Parkinson-Patienten das subthalamische Signal im Beta-Frequenzband als Biomarker gewertet werden. Erste Studien zur bedarfsgerechten Stimulation sind bereits 2013 publiziert worden und zeigen die Möglichkeit, die Amplitude der Beta-Aktivität als Triggersignal zu nutzen. Die Stimulation wird nur dann ausgelöst, wenn die Beta-Aktivität eine bestimmte Schwelle überschreitet.
Mit dem neuartigen Percept Stimulator können neuronale Signale über die in den Basalganglien platzierten Elektroden zur THS über einen langen Zeitraum ausgelesen werden. Erste Untersuchungen zeigen, dass die Beta-Aktivität als Biomarker in guter technischer Qualität unter Stimulation nutzbar ist. "Wir konnten außerdem den Effekt der Stimulation auf die Beta-Aktivität deutlich zeigen", sagt Kühn. Die erste klinische Studie zur adaptiven Stimulation startet demnächst an ausgewählten europäischen und US-amerikanischen Zentren. Dabei wird erstmals außerhalb des Labors der Mechanismus der adaptiven Stimulation in der klinischen Routine über mehrere Wochen an den Patienten getestet, nicht nur für einige Stunden wie bisher unter Laborbedingungen. Langfristig soll auch getestet werden, ob andere Signalquellen, wie die kortikale Aktivität, oder komplexere Analysemechanismen, die weit über die lokale Beta-Aktivität hinausgehen, potenziell noch differenziertere Informationen als Feedback-Signal zur Verfügung stellen.
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V.