Global geht die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus mit noch nie gesehener Geschwindigkeit voran. Dennoch dauert es oft Jahre, bis eine geeignete Impfung vorliegt. Daher konzentriert sich ein Forschungsprojekt des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), der Medizinischen Universität Graz und des Grazer Biotech-Unternehmens Innophore zusätzlich auf das Auffinden, Evaluieren und vorklinische Testen einer bestimmten Klasse an Wirkstoffen, die schnellere Verfügbarkeit mit hoher Wirkung verbindet. Die Rede ist von antiviralen Medikamenten, wie sie etwa gegen HIV, MERS oder SARS entwickelt wurden. Sie hemmen Enzyme, die Viren zur Vermehrung benötigen, in ihrer Aktivität und verhindern das Eindringen von Viren in z.B. Lungenzellen. Da viele dieser Medikamente bereits am Markt zugelassen sind, lassen sie sich relativ rasch zu Coronamedikamenten umfunktionieren.
Im acib-Kooperationsprojekt wird die computergestützte Suche zudem mit Hochdurchsatzscreenings im Labor ergänzt. Robotersysteme testen einerseits die in den Computermodellen vorgeschlagenen Medikamente und andererseits neue Verbindungen aus Bibliotheken hunderttausender chemischer Verbindungen direkt im Labor auf ihre Wirkung. "Wir freuen uns, dass wir bereits eine Reihe an potenziellen Wirkstoffkandidaten identifizieren konnten”, verrät Innophore-CEO und acib-Senior Researcher Christian Gruber. Aktuell werden diese Ausgangssubstanzen im BSL-3 Hochsicherheitslabor an der Med Uni Graz optimiert und unterschiedlichen in-vitro-Tests unterzogen, um ihre Eignung für spätere klinische Studien abzuklären.
Um Substanzen auf ihre Wirkung zu testen, müssen sie mit dafür eigens vermehrten, lebenden Erregern wie dem hochinfektiösen SARS-CoV-2 Virus in Zellkulturen zusammengebracht werden. Um den Schutz von Personen und Umwelt zu gewährleisten, ist daher eine Laborinfrastruktur gefordert, wie sie am Med Uni Campus Graz zur Verfügung steht. "Das BSL-3 Labor weist den in Österreich derzeit höchsten verfügbaren Sicherheitsstandard für Labore auf. Schleusensysteme mit unterschiedlichen Dekontaminationsverfahren, abgeschlossener Luftkreislauf mit Filtersystemen und eine hochwertige persönliche Schutzausrüstung für Mitarbeiter ermöglichen das sichere Arbeiten mit Mikroorganismen, welche zu schweren Erkrankungen und Epidemien führen können, wie es aktuell beim Erreger SARS-CoV-2 der Fall ist", sagt Kurt Zatloukal vom Diagnostik- und Forschungsinstitut für Pathologie der Medizinischen Universität Graz.
Die in-vitro Tests antiviraler Medikamente folgen dabei drei Phasen: "Diese Erstphase der Covid-19 Experimente wurde bereits erfolgreich abgeschlossen. Dabei führen wir Zytotoxizitätstests durch, um sicherzustellen, dass die Verbindungen keine generelle Schädigung der Zellen verursachen und bestimmen in einem weiteren Schritt, in welcher Konzentration die Substanz eingesetzt werden kann", so Zatloukal und Gruber. "Mittels quantitativer Polymerasekettenreaktionen und verschiedener Assays analysieren wir den weiteren Infektionsvorgang und bestimmen den Titer des Virus, also dessen infektiöse Einheiten. Diese Experimente geben uns Aufschluss, ob ein Medikament die Virusvermehrung verhindern kann", erklärt Zatloukal.
In der zweiten, kürzlich gestarteten Prozessphase testen die Forscher die Verbindungen auf ihre Wirkung gegen Covid-19. Um möglichst genau Aufnahme und Wirkung – sowie mögliche Nebenwirkungen – von Medikamenten im menschlichen Körper nachzubilden, kommen sogenannte humane Organoide zum Einsatz.
In der letzten Phase testen die Forscher, ob die genetische Diversität verschiedener Virus-Subklassen von SARS-CoV-2 die Wirkungsweise von Medikamenten beeinflusst. "Womöglich wird es am Ende die Kombination mehrerer Konzepte brauchen, um COVID-19 zu bekämpfen", so Zatloukal.
MEDICA.de; Quelle: Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib)