Helfen Medikamente nicht, muss operiert werden. "Dafür steht uns seit 50 Jahren die Trabekulektomie zur Verfügung", erläutert DOG-Präsident Thieme. Mit der Standard-Operation werden Strukturen am Auge so umgestaltet, dass ein künstlicher Abfluss für überschüssiges Kammerwasser entsteht. "Mit der Trabekulektomie können wir eine starke Drucksenkung erreichen", erläutert der Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Magdeburg. "Zu den Nachteilen zählen Komplikationen wie Blutungen, Sehverschlechterung und Vernarbung."
Die neuen minimal-invasiven Methoden mit Mini-Implantaten sollen den Eingriff vereinfachen. Diesem Zweck dienen haardünne Röhrchen, die Glaukomchirurgen mithilfe eines Mikroskops durch einen kleinen Schnitt in die Abflusskanäle des Kammerwassersystems einsetzen, um das gestaute Wasser aus dem Auge herauszuleiten. "Die Wissenschaft evaluiert diese neuen Verfahren derzeit weltweit", berichtet Thieme. "Länge und Durchmesser der Röhrchen, aber auch der Implantationsort sind noch Gegenstand von Diskussionen." Dennoch sei jetzt schon absehbar, dass die Augenheilkunde in Zukunft eine patientenindividuelle Glaukomchirurgie mit mehreren Eingriffsmethoden anbieten werde, prognostiziert der Magdeburger Ophthalmologe.
Auch für die Messung des Augeninnendrucks entwickeln sich neue Techniken. So wurde in einer Studie ein wenige Millimeter großer Messsensor getestet, der in einen Silikonring eingearbeitet ist und bei einer Operation des Grauen Stars mit der neuen Kunstlinse implantiert werden kann. Der Chip verbleibt dauerhaft im Auge und ermöglicht berührungslos eine Messung des Augeninnendrucks zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dafür halten die Patienten ein Messgerät vor das Auge, das die Werte abruft, speichert und nebenbei den Chip mit Strom versorgt. Die Werte können telemedizinisch an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte übermittelt werden.
"Der Chip lässt sich gut implantieren, wird gut vertragen und generiert eine Fülle an Messdaten, die jenseits unserer Vorstellungskraft gewesen ist", berichtet Studienleiter Thieme. Bei keinem der 22 Studienteilnehmer waren Komplikationen zu beobachten, kein Chip musste entfernt werden. "Die Studie zeigte auch, dass dieses intensive Augeninnendruckmonitoring in einigen Fällen zu einer Korrektur der medizinischen Tropfentherapie führte", so Thieme. Der Sensor könnte eine Option für Patienten sein, die sich mit Messungen schwertun und ohnehin vor einer Katarakt-Operation stehen. "Der Chip ist ein Beispiel für die Entwicklung digitaler Anwendungen in der Augenheilkunde, die in Zukunft noch rasend Fahrt aufnehmen wird", resümiert der DOG-Präsident.
Auf den Kongress-Pressekonferenzen am 23. und 30. September 2021 wird Professor Hagen Thieme über die neuen Entwicklungen in der Therapie des Grauen Stars berichten.
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft