Technologien zur Charakterisierung von einzelnen Zellen eröffnen eine grundlegend neue Perspektive für unser Verständnis der Biologie des Menschen. Daraus ergibt sich großes Potenzial, therapeutische Fortschritte für eine Vielzahl von Krankheiten zu ermöglichen und Europa in der Spitze von Forschung und Anwendung in der personalisierten Medizin und der regenerativen Biologie zu etablieren. Um Forschungen in diesem Bereich international zu koordinieren und den wissenschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen, sorgt die globale Human Cell Atlas (HCA) Initiative für eine weltweite Abstimmung im Hinblick auf die Erstellung umfassender Referenzkarten aller Zellen im menschlichen Körper.
Im Rahmen des HCA verfolgt das neue europäische Forschungsprojekt HCA│Organoid das Ziel, einen "Organoid Cell Atlas" zu erstellen. Dadurch soll die Organoid-Technologie im HCA verankert und die biomedizinische Forschung vorangetrieben werden. Diese Vision wird in einem Strategiepapier beschrieben, das bereits als Preprint öffentlich verfügbar ist. Kurz gesagt, die Forscher wollen einen Atlas einzelner Zellen erstellen und nutzen, um zwischen der Analyse von Gewebeproben einerseits und Experimenten an Organoiden im Labor andererseits zu übersetzen. Zum Beispiel können Forscher in Tumor-Proben einem neuen Zelltyp auf die Spur kommen, dann ähnliche Zellen in menschlichen Organoiden herstellen und an diesen Zellen im Labor potenzielle therapeutische Strategien testen.
Zur Verwirklichung dieser Vision wird sich das HCA|Organoid-Projekt zunächst darauf konzentrieren, Transkriptome, Epigenome und Bildanalysen der Zellen in Organoiden und dem entsprechenden Primärgewebe gesunder Spender herzustellen. Im Rahmen des Projektes sollen menschliche Gehirn- und Darm-Organoide von jeweils 100 Individuen erzeugt und umfassend charakterisiert werden, um die genetische Vielfalt des Menschen abzubilden und eine umfassende Referenz für die Forschung an Krankheiten zu etablieren. Diese Einzelzell-Karten werden in ein öffentliches "Organoid Cell Atlas Portal" integriert, das einen benutzerfreundlichen Zugang zu den Daten von Organoiden und den entsprechenden Gewebeproben bieten soll. Diese wissenschaftliche Ressource soll dann in mehreren Pilotstudien genutzt werden, zum Beispiel um die biologischen Grundlagen von genetisch bedingter Epilepsie in Gehirn-Organoiden zu untersuchen, die Wirksamkeit von Medikamenten für die Behandlung von Darmkrebs zu analysieren und die Auswirkungen genetischer Unterschiede zu eruieren.
MEDICA.de; Quelle: CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften