Diese Schwierigkeit, den visuell-sensorischen Thalamus im Detail zu untersuchen, hat das Verständnis über die Funktionsweise der visuellen Sinnesverarbeitung in der Vergangenheit stark beeinträchtigt. Christa-Müller Axt ist Doktorandin und beschäftigt sich in der Abteilung von Neurowissenschaftlerin Prof. Katharina von Kriegstein an der TU Dresden mit dem visuell-sensorischen Thalamus. Durch Zufall entdeckte die Doktorandin in Neuroimaging-Daten Strukturen, die den beiden visuell-sensorischen Thalamus-Teilen ähnelten. Die Neuroimaging-Daten waren einzigartig, da sie eine äußerst hohe räumliche Auflösung aufwiesen und mit einem speziellen Magnetresonanztomographen (MRT) am MPI-CBS in Leipzig aufgenommen wurden, wo von Kriegsteins Gruppe neurowissenschaftliche Studien zu Legasthenie durchführte. Christa Müller-Axt verfolgte diese Entdeckung in einer Reihe weiterer neuartiger Experimente, bei denen sie in-vivo-(am lebenden Objekt gewonnene) und post-mortem-(am toten Objekt gewonnene) MRT-Daten mit hoher räumlicher Auflösung sowie post-mortem Histologie (Wissenschaft von den Geweben des menschlichen Körpers) analysierte, und war sich bald sicher, die beiden Teile des visuell-sensorischen Thalamus entdeckt zu haben.
Die Ergebnisse zeigen, dass die zwei Teile des visuell-sensorischen Thalamus durch unterschiedliche Mengen an weißer Hirnsubstanz (Myelin) gekennzeichnet sind. Diese Information lässt sich in den neuartigen MRT-Daten erkennen und kann somit zur detaillierten Untersuchung des visuell-sensorischen Thalamus beim lebenden Menschen verwendet werden.
"Die Erkenntnis, dass wir die Teile des visuell-sensorischen Thalamus bei lebenden Menschen darstellen können, ist fantastisch. In naher Zukunft kann man damit die visuell-sensorische Verarbeitung sowohl bei gesunden, als auch bei kranken Menschen untersuchen", sagt Erstautorin Christa Müller-Axt und erklärt: "Post-mortem Studien bei Legasthenie haben gezeigt, dass es speziell in einem der beiden Teile des visuell-sensorischen Thalamus strukturelle Veränderungen gibt. Jedoch gibt es nur sehr wenige dieser post-mortem Untersuchungen, weswegen es schwierig zu sagen ist, ob alle Legastheniker diese Art von Veränderungen im visuell-sensorischen Thalamus aufweisen. Außerdem können post-mortem Daten nichts über die funktionellen Auswirkungen dieser Veränderungen und ihren spezifischen Beitrag zu den Entwicklungssymptomen der Legasthenie aussagen. Daher erwarten wir, dass unser neuartiger in-vivo Ansatz die Forschung über die Rolle des visuell-sensorischen Thalamus bei Legasthenie erheblich erleichtern und vorantreiben wird."
MEDICA.de; Quelle: Technische Universität Dresden