Mit jährlich 60.000 Neuerkrankungen ist das Prostatakarzinom die häufigste Krebsart bei Männern. Eine Heilung ist bei rechtzeitiger Diagnose in den meisten Fällen möglich, eine unverzichtbare Therapiesäule stellt die Strahlentherapie dar. Neue Bestrahlungstechniken und -konzepte wie die bild-gesteuerte fokale Strahlendosis-Eskalation leisten bereits einen wichtigen Beitrag für eine präzise, personalisierte bzw. individualisierte Strahlentherapie. Die Integration der biologischen Bildgebung (mpMRT, PET etc.) und die Kombination von Bildgebung – künstlicher Intelligenz – Therapieplanung definieren den Weg zu einer personalisierten Radioonkologie. So stellt beispielsweise die multiparametrische MRT (mpMRT) die Anatomie, Gewebe/Zelldichte und Durchblutung besonders gut dar; bei der Prostatadiagnostik ergänzt die PSMA-PET/CT-Bildgebung, die das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) darstellt, das Bild.
Die HypoFocal-SBRT-Studie (finanziert vom BMBF und der Deutschen Krebshilfe/Programm "Dekade gegen Krebs“) ist in diesem Kontext eine der wichtigsten, auf dem DEGRO Kongress 2022 in verschiedenen Symposien und Vortragssitzungen diskutierten, innovativen Studien. Studienziele sind die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und die Erhaltung einer guten Lebensqualität. In der internationalen, multizentrischen, prospektiv randomisierten Phase-III-Studie (20 Kliniken in Deutschland und Europa) erhalten fast 400 Patientinnen und Patienten mit lokalisiertem, fortgeschrittenen, nicht-metastasierten Prostatakarzinom eine primäre ("definitive“) Strahlentherapie . Im konventionellen Arm wird eine Strahlentherapie in mehreren Sitzungen über 4 Wochen gleichmäßig auf das ganze Volumen der Prostata appliziert; im experimentellen Arm erfolgt eine fokussierte, stereotaktische Strahlentherapie (SBRT:"stereotactic body radiotherapy“); dabei wird die sehr hohe Gesamtdosis nach der biologischen Bildgebung eskaliert und innerhalb von nur 5 Tagen appliziert (5 Sitzungen einschließlich simultan integriertem Boost „SIB“). Erste Ergebnisse der HypoFocal-Vorphase werden auf dem Kongress präsentiert. "Die Implementierung der PSMA-PET in die Strahlentherapie hatte relevanten Einfluss auf das Bestrahlungsmanagement mit signifikant größeren Boost-Volumina. Die fokale Dosiseskalation war ohne Auswirkungen auf die Lebensqualität. Es wurde gezeigt, dass der Prostata-Tumormarker PSA sehr schnell abgesenkt wird“, erklärt Studienleiterin Frau Prof. Dr. med. Anca-Ligia Grosu, Freiburg.
Die Individualisierung der Bestrahlung erfolgt bislang nach der Größe, jedoch noch nicht anhand der Biologie des Tumors. Die Studie wird aber von großen, parallelen translationalen Projekten begleitet, durch die künftig eine noch individuellere radiologische Personalisierung anhand von "Radiomics“ möglich werden soll. So werden umfangreiche biologische Daten gesammelt (Tumorbiop-sien/molekulare und genomische Gewebemerkmale, Epigenetik, Blut, Urin, Verläufe/Outcome) und mit sogenannten Radiomics korreliert. Radiomics sind alle physikalischen Eigenschaften bzw. radiologischen Merkmale, die mittels "Big Data“-Analysen systematisch und computergestützt aus bislang ungenutzten Bilddaten ("Metadaten“) extrahiert und quantitativ analysiert werden. So entstehen radiologische Biomarker-Signaturen, die mit Hilfe von AI-Programmen mit den anderen Biomarkern (Proteomics, Genomics) korreliert werden. So soll die individuelle Tumorcharakterisierung verbessert und eine biologische Differenzierung bzw. Klassifizierung von Sub- oder Risikogruppen etabliert werden.
Auch erfolgen Vergleiche von Histologie und Bildgebung: "Mittels Radiomics wurde die mikroskopische Tumorinvasion in Prostatabereiche gezeigt, die selbst im Multiparameter-MRT und PSMA-PET/CT mit dem Auge nicht erkannt werden“, so Grosu. 'Make the invisible visible‘ heißt das Konzept. "Durch die Identifizierung von Korrelationen zwischen radiologischen, klinischen und molekularbiologischen Daten/Biomarkern können Radiomics-Analysen künftig vielleicht sogar bestimmte invasive Untersuchungen ersetzen und ergänzend zu Genomics und Proteomics individuelle Aussagen zum Outcome machen. "Die Strahlentherapie der Zukunft reagiert dann auf Krebswachstum, bevor es mit herkömmlichen Methoden sichtbar wird, und stratifiziert Risikopatienten, bei denen eine intensivere Therapie notwendig ist“, so fasst die Expertin die Vorteile der Radiomics-basierte, personalisierten Strahlentherapie zusammen.
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.