Eine Sepsis – umgangssprachlich auch "Blutvergiftung" genannt – ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die durch die unkontrollierte Vermehrung von Krankheitserregern – Bakterien, Viren oder Parasiten – im Blut verursacht wird. Dabei kann umso erfolgreicher therapiert werden, je schneller die Diagnose gestellt und die Art des Erregers identifiziert werden kann: Möglichst rasch mit dem richtigen Antibiotikum behandeln zu können, erhöht die Überlebensrate signifikant.
Gängige Praxis ist es bis heute in vielen Kliniken, solche Sepsis-Erreger mikrobiologisch nachzuweisen. Von Nachteil ist hierbei allerdings, dass das Ergebnis erst nach zwei bis fünf Tagen vorliegt und dass die Nachweisrate dieser Technik gering ist: In der Regel liefert sie nur in 10 bis 30 Prozent der Fälle ein positives Ergebnis. Außerdem lassen sich manche Pathogene gar nicht oder nur unter besonderen Bedingungen kultivieren, sodass das Ergebnis negativ ausfällt, obwohl eigentlich eine Infektion vorliegt – mit fatalen Folgen für die Patienten.
Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben schon vor einiger Zeit ein alternatives diagnostisches Verfahren etabliert, das Erreger aller Art wesentlich schneller und zuverlässiger nachweist. Es nutzt die Hochdurchsatzsequenzierung, Next-Generation Sequencing (NGS), des mikrobiellen Erbguts – von so genannter zirkulierender freier DNA (cfDNA) – aus der Blutprobe der Patienten und hat eine fünf- bis sechsfach verbesserte Nachweisrate gegenüber den kulturbasierten Techniken.
Dabei können in einem dreistufigen Prozess aus Probenvorbereitung, Sequenzierung und bioinformatischer Auswertung mit eigens entwickelten diagnostischen Algorithmen relevante Bakterien, Viren oder Pilze ohne langwieriges Kultivierungsverfahren innerhalb von 24 bis 30 Stunden nach der Blutabnahme eindeutig identifiziert werden. Als ein Verfahren mit Plattformcharakter eignet sich die Methode zudem nicht nur zur Sepsis-Diagnose, sondern potenziell auch für andere Erkrankungen wie beispielsweise Endokarditis- oder Liquorinfektionen.
Derzeit läuft die klinische Validierung der Plattform für die Sepsis-Diagnostik in einer multizentrischen Studie: "Nun testen wir unser Verfahren großflächig in der Klinik", berichtet Dr. Kai Sohn, Leiter des Innovationsfelds In-vitro-Diagnostik am Fraunhofer IGB vom Stand der Forschungsarbeiten. "Dabei werden 500 Patienten in 20 Kliniken untersucht."
Aber auch das Herzstück der Plattform – die Technik an sich – konnte nochmals weiterentwickelt werden: Mithilfe einer der jüngsten Sequenziertechnologien der 3. Generation kann das mikrobielle Erbgut in Echtzeitanalyse schon während der Sequenzierung geprüft werden, sodass sich die Erreger-Identifizierung nun auf nur sechs bis acht Stunden reduzieren lässt. Möglich wird dies durch den MinION-Sequenzierer, ein kompaktes, tragbares Gerät, das einzelne DNA-Moleküle in Nanoporen analysieren kann. "Hiermit bekommen wir Ergebnisse im Minutentakt", erklärt Sohn.
Die eindeutige Identifizierung der Pathogene wird durch mathematische Berechnungen auf Basis der Sequenzinformationen aus der Patientenprobe ermöglicht: Hierfür haben die Fraunhofer-Forscher einen Relevanzscore – den Sepsis Indicating Quantifier (SIQ)-Score – entwickelt, der die Daten der Infizierten mit gesunden Kontrollgruppen bioinformatisch abgleicht und dann bewertet. "Dazu haben wir im Vorfeld Erwartungswerte für hunderte verschiedenster Erreger erzeugt", berichtet Sohn. "Auf dieser Basis können wir nun Ergebnisse in einer ähnlichen Form liefern, wie sie jeder vom Blutbild beim Hausarzt kennt. Unsere Algorithmen ermöglichen damit die rasche und eindeutige Therapieentscheidung. Und dies hat durchaus auch das Potenzial, in Zukunft einmal als Point-of-Care-Test direkt auf der Intensivstation durchgeführt zu werden."
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB)