Klassische Ansätze und Methoden des Systems Engineering entlang des V-Modells werden auf ihre Anwendbarkeit hinsichtlich neuer Herausforderungen geprüft und unter Berücksichtigung arbeitswissenschaftlicher Aspekte zeitgemäß interpretiert und neu entwickelt.
Heutzutage werden Produkte immer komplexer – unterschiedliche Fachdisziplinen mit vernetzten Anwendungen müssen bei der Produktentwicklung zusammenspielen. Das gilt insbesondere auch für neue Produkte in der Medizintechnik. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind auf diese zunehmende Komplexität oftmals nicht ausreichend vorbereitet. So verstärkt beispielsweise die neue europäische Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, MDR) die Herausforderung der KMU in Hinblick auf die Zertifizierung neuer und bestehender Produkte. So müssen beispielsweise bestehende Medizinprodukte aufwendig rezertifiziert, modifiziert und verifiziert beziehungsweise validiert werden. Selbst Materialien, die bereits für den Gebrauch im menschlichen Körper zertifiziert waren, müssen nun den Zertifizierungsprozess erneut durchlaufen. Das lässt die Entwicklungszeiten und -kosten für einzelne Produkte steigen. Um die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der KMU-getriebenen deutschen Medizintechnikindustrie zu stärken, sind daher neue Möglichkeiten und Pfade für eine Struktur zur vernetzten Produktentwicklung notwendig.
In den kommenden drei Jahren wird ein europäisches Konsortium im neuen BMBF-Verbundprojekt "EUREKA-AMeLie" ein Architektur-Framework für Medizintechnik-KMU entwickeln und Konzepte, Leitfäden und Richtlinien zur Einführung und Umsetzung von Advanced Systems Engineering (ASE) aufbauen beziehungsweise überarbeiten. Klassische Ansätze und Methoden des Systems Engineering entlang des V-Modells werden auf ihre Anwendbarkeit hin geprüft und mittels arbeitswissenschaftlicher Aspekte zeitgemäß interpretiert und neu entwickelt. Die erarbeiteten Konzepte sollen in Form von softwarebasierten Anwendungstools implementiert und zusammen mit den beteiligten Medizintechnik-Unternehmen an vier realen Anwendungsfällen aus den Bereichen In-vitro-Diagnostik, Medizinprodukte und Implantate erprobt, demonstriert und validiert werden. Den Produkten aller Anwendungsfälle ist gemeinsam, dass bisherige Produktionsprozesse durch drucktechnische Methoden ersetzt werden sollen, um die Produktionskosten zu senken und eine höhere Designflexibilität zu erhalten. Ein weiteres technisches Ziel sind robustere Lösungen für die elektrische Anbindung von flexiblen Dünnfilmelektrodenstrukturen an widerstandsarme und weniger flexible Zuleitungen.
Das Fraunhofer IBMT erhofft sich von dem Forschungsprojekt "EUREKA-AMeLie" neue Methoden und Werkzeuge, die in zukünftigen bilateralen Projekten mit der Industrie vorteilhaft genutzt werden können, um die komplexe Entwicklung medizintechnischer Produkte besser zu beherrschen.
Im Projekt "EUREKA-AMeLie" erforscht das Fraunhofer IBMT zum einen Prozesse zum Drucken von Elektroden auf Polyurethansubstraten unter Verwendung von leitfähigen Polymeren. Weiterhin soll ein Prozess zum Drucken eines Polyimidsubstrats und der Elektroden, Zuleitungen und Isolationsschichten erarbeitet werden. Der Schwerpunkt liegt darüber hinaus auf einer neuen Entwicklungsmethodik am Beispiel einer Mikrofluidik und deren Kombination mit gedruckten Elektroden sowie der Entwicklung einer mit diesem System kompatiblen Aufbau- und Verbindungstechnik für die moderne Zelldiagnostik.
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT