Die Geräte in der Form eines Kopfhörers und die zugehörige Software sollen vielen Menschen mit Schwindelsymptomatik dabei helfen, ihre Beschwerden zu lindern. Der Hintergrund: Im gesunden Körper sorgen mehrere Organe und Funktionssysteme dafür, dass Menschen aufrecht stehen und sicher laufen können. Sensoren im Innenohr erkennen die Bewegungen des Kopfes und versorgen das Gehirn mit Informationen zur Bewegungsrichtung. Die Augen liefern dem Gehirn weitere Hinweise zur Ausrichtung des Körpers im Raum. Sensoren in Haut, Gelenken, Muskeln und Sehnen vervollständigen die Informationen.
Ist eines dieser Systeme gestört – etwa durch Erkrankungen im Innenohr oder eine Nervenentzündung – liefert das Gleichgewichtsorgan falsche Signale. Es kommt zum Schwindel. Trainiert man nun das Gleichgewicht, lernt das Gehirn auf Dauer, mit den falschen Signalen umzugehen. Beim Training mit offenen Augen übernehmen diese einen Großteil des Gleichgewichtsgespürs (optische Kompensation). Befindet man sich jedoch im dunklen Zimmer oder schließt man die Augen, können sie dieser Aufgabe nicht länger nachkommen. Der Schwindel kehrt daher in der Dunkelheit vielfach zurück. Training mit geschlossenen Augen wäre jedoch eine gefährliche Angelegenheit.
EQUIVert schließt dieses Manko aus. Betroffene setzen ihr Trainingsgerät EQUIFit mit integrierten Beschleunigungs- und Drehratensensoren auf und erhalten über den Kopfhörer beispielsweise die Anweisung, mit geschlossenen Augen gerade stehen zu bleiben. Über akustische Signale werden die Personen dabei geführt: Schwanken sie beispielsweise zu weit nach rechts, ertönt per Kopfhörer ein Ton, der von rechts zu kommen scheint – ähnlich wie bei einer Einparkhilfe. Dabei kontrolliert das System, wie gut Patienten die Übungen absolvieren und schaltet bei Erfolg in die nächsthöhere Trainingsstufe. Die Kopfhörer liefern den Nutzern also ein Gleichgewichts-Feedback, das nicht über die Augen kommt, sondern über die Ohren, die eng mit dem Gleichgewichtssinn verknüpft sind.
Ein völlig neues Bedienkonzept wurde speziell für ältere Menschen entwickelt, die oft nicht so technikaffin sind. Die Bedienung erfolgt weitgehend ohne Tasten oder Schalter durch eine »Gesten-Steuerung«. Über Sprachansagen werden Abfragen gestellt, die sich durch einfaches Nicken oder Kopfschütteln beantworten lassen. So werden über Ja- und Nein-Kommandos individuelle Einstellungen vorgenommen und das Übungsprogramm gesteuert. Die Laut-/Leise-Einstellung kann mit einem leichten Klopfen auf den Kopfhörer geändert werden. Nach den Grundeinstellungen erhalten Nutzer die Ansagen zu den Trainingsübungen, die sie täglich wiederholen. Dazu führt das intelligente System in verschiedenen Schwierigkeitsstufen durch die Trainingsprogramme. Angepasst an ihre jeweiligen Messwerte werden Patienten nur dann in die nächsthöhere Stufe geschaltet, wenn sie in der schon erfolgreich absolvierten Stufe definierte Grenzwerte einhalten. Das verhindert Überforderung und gewährleistet Sicherheit.
Bei der ärztlichen Schwindeldiagnose setzt EQUIMedi neue Maßstäbe. Statt nur mit Augenmaß und Erfahrung abzuschätzen, wie sicher Patienten stehen, können Ärzte mit dem Gerät EQUIMedi die Schwankungen exakt messen. Die Ergebnisse werden per Kabel an den PC des Arztes geleitet und dort vom Analyseprogramm EQUISoft aufbereitet sowie visuell anschaulich dargestellt.
Sehr viele Fachärzte können so Schwindel erstmals objektiv diagnostizieren. Denn: Bis dato kommen, wenn überhaupt, Diagnosesysteme zum Einsatz, bei denen sich Patienten auf Messplatten stellen, die durch integrierte Sensoren den Kraftschwerpunkt des Körpers im Stand messen (Posturographie). Ein solches Gerät ist allerdings mit 6 000 bis 10 000 Euro für die meisten Praxen zu teuer. EQUIMedi liefert dagegen bessere Ergebnisse zu einem Bruchteil der Kosten – und auch das Patientengerät EQUIFit wird zu einem für Praxen erschwinglichen Preis angeboten.
Burkhard Heidemann, Abteilungsleiter am Fraunhofer IMS, freut sich auf den Marktstart der Geräte: "Schwindel ist nahezu eine Volkskrankheit, die oft unterschätzt wird. Mit EQUIFit und EQUIMedi machen wir nun in Therapie und Diagnose große Schritte nach vorn."
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer Gesellschaft