Die Labore nutzen "Antikörper", die an die Oberfläche der Zellen andocken und an Fluoreszenzfarbstoffe gekoppelt sind. Mit solchen Markern lassen sich auch kleine Unterschiede zwischen den Krebszellen und gesunden Blutzellen erfassen. Die Durchflusszytometrie erzeugt große Datenmengen. Im Durchschnitt werden mehr als 50.000 Zellen pro Probe vermessen. Diese Daten werden dann üblicherweise am Bildschirm analysiert, indem die Expression der verwendeten Marker gegeneinander aufgetragen wird. "Bei 20 Markern müsste der Arzt aber bereits etwa 150 zweidimensionale Bilder vergleichen", sagt Prof. Dr. Peter Krawitz vom Institut für Genomische Statistik und Bioinformatik des Universitätsklinikums Bonn. "Deshalb ist es meist zu aufwendig, den gesamten Datensatz gründlich zu sichten."
Krawitz hat deshalb zusammen mit den Bioinformatikern Nanditha Mallesh und Max Zhao untersucht, wie sich Künstliche Intelligenz für die Auswertung der Zytometriedaten einsetzen lässt. Die Studie ist nun im Journal Patterns erschienen.
Das Team berücksichtige mehr als 30.000 Datensätze von Patienten mit B-Zell-Lymphomen, um die Künstliche Intelligenz(KI) zu trainieren. "Die KI nutzt die Daten in vollem Umfang und steigert die Geschwindigkeit und die Objektivität der Diagnosen", sagt Erstautorin Nanditha Mallesh. Das Ergebnis der KI-Auswertungen ist ein Diagnosevorschlag, der noch vom Arzt überprüft werden muss. Dabei gibt die KI Hinweise auf auffällige Zellen.
Die Blutproben und Zytometerdaten stammen von dem Münchner Leukämielabor (MLL), der Charité – Universitätsmedizin Berlin, dem Universitätsklinikum Erlangen und dem Universitätsklinikum Bonn. Spezialisten dieser Institutionen prüften die Ergebnisse der Künstlichen Intelligenz."Goldstandard ist die Diagnose durch Hämatologen, in der auch Ergebnisse zusätzlicher Untersuchungen berücksichtigt werden können", sagt Krawitz. "Es geht beim Einsatz der KI nicht darum, Ärzte zu ersetzen, sondern die in den Daten enthaltene Information bestmöglich auszuschöpfen." Insbesondere kleinere Labore, die sich keine eigene bioinformatische Expertise leisten können und vielleicht auch zu wenig Proben haben, um selbst eine KI von Grund auf neu zu entwickeln, können davon profitieren.
Alle Rohdaten und die komplette Software sind open source und damit frei zugänglich. Die an der Studie beteiligte res mechanica GmbH hat darüber hinaus einen Web Service (https://hema.to) entwickelt, der die Künstliche Intelligenz auch für Anwender ohne bioinformatische Expertise nutzbar macht.
Das Team sieht sehr großes Potenzial in dieser Technologie. Die Forschenden möchten deshalb auch mit großen Herstellern von Analyse-Geräten und -Software zusammenarbeiten, um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz weiter voranzutreiben.
MEDICA.de; Quelle: Universität Bonn