Nach einem "Schlüssel-Schloss"-Prinzip können die Medikamente nur wirken, wenn der Tumor dazu passende Veränderungen in seinen Molekülen aufweist. Um mindestens eine wirksame "Schlüssel-Schloss"-Kombination zu entdecken, müssen derzeit viele Tests durchgeführt werden. Diese Testungen sind nicht nur aufwendig, sondern auch zeit- und kostenintensiv. In Deutschland werden die meisten dieser Tests von speziell ausgebildeten Pathologen durchgeführt.
Das soll jetzt durch ein Forschungsvorhaben am Institut für Pathologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) beschleunigt werden. Der wissenschaftliche Leiter des Vorhabens, Prof. Philipp Ströbel, Direktor des Instituts für Pathologie der UMG und stellvertretender Direktor des Universitätskrebszentrums Göttingen, möchte zusammen mit seinem Team neuartige molekulare Testungen und künstliche Intelligenz (KI) kombinieren und untersuchen. Die Forscher wollen herausfinden, ob es möglich ist, mit Hilfe einer "digitalen Biopsie" molekulare Veränderungen in Tumoren vorherzusagen. Das wäre die Voraussetzung, um Tumoren in wesentlich kürzerer Zeit als bisher gezielt behandeln zu können. Federführend bei der Entwicklung der KI-Technologie und Industriepartner in dem Forschungsprojekt ist Siemens Healthineers.
Das Forschungsvorhaben könnte dabei helfen, einer alternden Gesellschaft mit Zunahme an Tumorerkrankungen den flächendeckenden Zugang zu einer verbesserten Krebsmedizin zu sichern, und gleichzeitig zu einer massiven Kosteneinsparung und Schonung wertvoller Personalressourcen beitragen.
"Die Diagnose Krebs wird in aller Regel in der Pathologie durch die Beurteilung von Gewebeproben gestellt. Bisher verwenden wir dafür herkömmliche Lichtmikroskope. Ziel unserer Forschungen ist es jetzt, künstliche Intelligenz so zu nutzen, dass wir mit Hilfe spezieller Unterstützungssysteme noch schneller als bisher Informationen über den Tumor erhalten", sagt Ströbel. "Künstliche Intelligenz ist bei der Analyse von Bilddaten und der Erkennung von Bildern sehr präzise und schnell. Daher könnte diese Technologie dabei helfen, auch die Behandlung von Krebs zu erleichtern", so Ströbel.
Zuerst wollen die Forscher eine große Datenbank erstellen. Darin werden die histologischen Bilddaten und umfangreiche molekulare Daten von jeweils 1.000 Fällen häufiger Tumoren, wie Lungenkrebs, Darmkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs, enthalten sein. In einem nächsten Schritt soll ein computergestütztes System darauf trainiert werden, auf Grundlage der histologischen Bilder wichtige molekulare Gruppen vorherzusagen. Falls dies mit ausreichender Genauigkeit gelingt, könnte das System in Zukunft dazu eingesetzt werden, diejenigen Tumoren schneller und kostengünstiger zu identifizieren, die besonders gut für eine bestimmte "Schlüssel-Schloss-Therapie" geeignet sind.
MEDICA.de; Quelle: Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität