Für das medizinische Personal ist es schwer zu entscheiden, wie der Patient am besten weiter behandelt werden soll. Denn ähnliche Schmerzen können bei einer Vielzahl von Erkrankungen auftreten, zum Beispiel bei orthopädischen Problemen.
Damit ausgeschlossen werden kann, dass es sich um eine Vorstufe des Herzinfarkts handelt, muss mehrere Stunden lang immer wieder Blut abgenommen und beobachtet werden, ob der Troponinwert sich doch noch verändert. Zusätzlich sind eine Belastungsuntersuchung und eine Echokardiographie notwendig. In einer Notaufnahme mit vielen Patienten, die dringend auf eine Diagnose warten, ist das eine schwierige Situation.
Prof. Benjamin Meder und seine Mitarbeiterin Dr. Elham Kayvanpour vom Universitätsklinikum Heidelberg haben durch die Verknüpfung von künstlicher Intelligenz, also neuronalen Netzwerken, und bestimmten RNA-Molekülen, den microRNAs, einen neuen Ansatz für eine frühe und sichere Diagnose der instabilen Angina pectoris bei Patienten mit Brustschmerzen gefunden.
Die neuronalen Netze der Heidelberger Forscher berechnen mit Daten über eine bestimmte Gruppe von microRNAs, ob eine instabile Angina pectoris vorliegt oder nicht. Dabei funktionieren sie ebenso robust wie unser Gehirn, selbst bei Abweichungen kommen sie zum richtigen Ergebnis. „Es ist schon fast erschreckend wie leistungsfähig neuronale Netze sind“, sagt Meder.
microRNAs sind innerhalb der Zelle wichtige Akteure in einem komplexen Netzwerk, das regelt, welche Gene aktiv sind. Wenn Störungen auftreten, wirft die Zelle dieses Regulationsnetzwerk an. Das geschieht zum Beispiel, wenn sich ein Herzinfarkt anbahnt: Geschädigte Blutgefäße, Entzündungsvorgänge oder Blutgerinnungsereignisse führen dazu, dass andere microRNAs als im gesunden Zustand aktiv sind. Sowohl Meders als auch andere Arbeitsgruppen haben bereits zahlreiche solcher Moleküle entdeckt.
Erstautorin Kayvanpour hat zunächst ermittelt, welche microRNAs bei Patienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt generell aktiv sind und so eine Art Schnappschuss der zellulären Vorgänge erstellt. Über 2000 microRNAs hat sie dann weiter analysiert und bereits aus der Literatur bekannte Kandidaten bestätigt. Es kristallisierten sich 34 microRNAs heraus, anhand deren Vorkommen und Konzentration die neuronalen Netze eine instabile Angina pectoris sicher diagnostizieren können. Die Arbeit von Kayvanpour ist eine der ersten Studien, die künstliche Intelligenz nutzt, um die Profile von RNA-Molekülen auszuwerten und miteinander zu verknüpfen.
MEDICA.de; Quelle: Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.