Ursprünglich handelte es sich um einen recht seltenen und wenig bekannten MRSA-Stamm, den englische Infektiologen vor etwa 15 Jahren bei Patienten entdeckten, die in die Region am Golf von Bengalen gereist waren. Doch weitere Nachweise in verschiedenen Teilen der Welt und die besonderen Eigenschaften des Bengal-Bay-Klons weckten die Aufmerksamkeit von immer mehr Forschern: Dieses Bakterium tauchte meist außerhalb von Kliniken auf, zeigte aber viele Antibiotikaresistenzen, wie sie eigentlich nur von typischen Krankenhauserregern bekannt waren. Zudem wurde es immer häufiger auch in anderen Ländern nachgewiesen. Gemeinsam setzten sich Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern das Ziel, Isolate dieses MRSA-Klons zu sammeln und deren Genome zu analysieren, um die Evolution und Verbreitungswege des besonderen Stamms zu verstehen.
Für die Untersuchung wurden in 14 Ländern 340 Isolate des Bengal-Bay-Klons gesammelt und anschließend mittels vollständiger Genomsequenzierung analysiert. Weitere experimentelle Daten zu Biofilm-Bildung, Wachstum und Toxizität wurden ebenfalls erhoben. Die Jenaer Forscher aus der Gruppe von Prof. Ralf Ehricht (Leibniz-IPHT) führten hierfür virtuelle Mikroarray-Analysen zu den Daten der isolierten Stämme durch, was Auswertung und Interpretation der Genomsequenzen deutlich vereinfachte.
Diese nun abgeschlossene Analyse der Genome hunderter repräsentativer Isolate des Stamms zeigt, dass auch durchsetzungsfähige, virulente MRSA-Stämme außerhalb der Klinik zahlreiche Resistenzgene in ihr Erbgut aufnehmen – ein Verhalten, das sonst eher typisch für Krankenhauskeime ist. "Wir konnten mit der aktuellen Analyse zeigen, dass Vorläufer des Bengal-Bay-Klons schon seit den 60er-Jahren in Indien und Bangladesch existieren. Das Bakterium hat in den letzten 30 Jahren schrittweise mobile genetische Elemente wie Plasmide und Gen-Kassetten in sein eigenes Genom integriert und sich so eine ganze Reihe an Resistenzmechanismen angeeignet. Bislang ist kein derart multiresistenter Stamm bekannt, der sich außerhalb von Krankenhäusern so weit verbreiten konnte und außerdem so viele Virulenzfaktoren trägt", erläutert Dr. Stefan Monecke vom Leibniz-IPHT, der an den Mikroarray-Analysen in Jena beteiligt war.
Ein solcher Stamm stellt nach Einschätzung von Dr. Monecke ein Problem gerade für ressourcenärmere Länder dar, die die Hauptlast des Ausbruchs tragen: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Bakterien, die außerhalb des Klinikumfelds in der gesunden Bevölkerung kursieren, durchaus ein mit Krankenhauskeimen vergleichbares Resistenzprofil erwerben können, ohne dass ihre Virulenz und ihre Fähigkeit zur Verbreitung davon beeinträchtigt wird." Die Entstehung eines solchen Bakterienstamms sei vor allem durch die unkontrollierte Antibiotikavergabe und soziale Faktoren, wie die hohe Bevölkerungsdichte bei schlechten Lebensbedingungen, begünstigt worden.
Eine vollständige und vergleichende Genomanalyse über mehr als ein Dutzend Länder sei zwar sehr aufwendig, doch, so Dr. Monecke weiter, "derartige internationalen Kollaborationen sind zwingend notwendig, um ein globales Problem wie das der Antibiotikaresistenzen wirklich zu verstehen und frühzeitig Präventionsmaßnahmen zu treffen. Unsere Ergebnisse zeigen: Wir benötigen schnellstens eine verbesserte Diagnostik – zum Beispiel günstige Schnelltests zum Nachweis von MRSA und deren Virulenzfaktoren – und eine strengere Regulierung des Gebrauchs von Antibiotika."
MEDICA.de; Quelle: InfectoGnostics – Forschungscampus Jena e.V.