"Dazu müssen wir nicht nur die Aktivität des Genoms in einzelnen Zellen entschlüsseln, sondern sie vor allem auch räumlich innerhalb eines Organs verfolgen", sagt der Wissenschaftliche Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie (BIMSB) am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin. Zum Beispiel sei die räumliche Anordnung von Immunzellen bei einer Krebserkrankung (die "Mikroumgebung") extrem wichtig, um genau zu diagnostizieren und die beste Therapie zu wählen. Ganz generell fehle ein systematischer Ansatz, die (Patho-)Physiologie eines Gewebes molekular zu erfassen und zu verstehen.
Mit einer großen neuen Studie ist Rajewsky seinem Ziel einen großen Schritt nähergekommen. Gemeinsam mit Professor Nir Friedman von der Hebrew University in Jerusalem, Dr. Mor Nitzan von der Harvard University im US-amerikanischen Cambridge und Dr. Nikos Karaiskos, einem Projektleiter aus seiner eigenen Arbeitsgruppe "Systembiologie von Gen-regulatorischen Elementen", ist es dem Wissenschaftler gelungen, mithilfe eines speziellen Algorithmus eine Art räumliche Landkarte der Genexpression für einzelne Zellen in ganz verschiedenen Gewebetypen zu erstellen: in der Leber und dem Darmepithel von Säugetieren, in Embryonen von Taufliegen und Zebrafischen sowie in Teilen des Kleinhirns und der Niere. "Manchmal reicht rein theoretische Wissenschaft, um in einem hochrangigen Wissenschaftsjournal zu publizieren - ich glaube, das wird in der Zukunft noch häufiger vorkommen. Wir müssen noch viel mehr in Machine Learning und Künstliche Intelligenz investieren", sagt Nikolaus Rajewsky.
"Anhand der im Computer erstellten Karten können wir nun genau verfolgen, ob ein bestimmtes Gen in den Zellen eines Gewebeteils aktiv ist oder nicht", erklärt Karaiskos, theoretischer Physiker und Bioinformatiker, der den Algorithmus gemeinsam mit Dr. Mor Nitzan von der Universität Harvard maßgeblich entwickelt hat. "Das war ohne unser Modell, das wir novoSpaRc genannt haben, in dieser Form nicht möglich."
MEDICA.de; Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft