In einem Labor haben die Forscher ein Blutgefäß simuliert. Mit Hilfe kleiner Magnetspulen ist es ihnen gelungen, einen Mikroroller durch diese dynamische und dichte Umgebung zu steuern: Das kugelförmige Medikamententransportvehikel hielt dem simulierten Blutfluss stand. Das Forschungsgebiet rund um die zielgenaue Medikamentenabgabe bringt dieser Erfolg einen wesentlichen Schritt weiter: Es gibt keinen besseren Zugangsweg zu allen Geweben und Organen im Körper als den Blutkreislauf, da er alle Zellen versorgt.
Weiße Blutkörperchen – die Wächter des Immunsystems – dienten dem Team als Inspiration, da sie die einzigen beweglichen Zellen innerhalb des Blutflusses sind. Auf ihrer Patrouille zu Orten, an denen Krankheitserreger eingedrungen sind, rollen sie an der Blutgefäßinnenwand entlang und dringen aus dieser heraus, wenn sie zum Beispiel an einer Wunde ankommen. Dass sie sich bewegen können, liegt vor allem an der wesentlich geringeren Fließgeschwindigkeit an den Gefäßinnenwänden.
Die Forscher haben sich dieses Phänomen zunutze gemacht. Sie haben einen Mikroroboter entwickelt, den sie dank seiner magnetischen Eigenschaften aktiv vorwärtsbewegen und innerhalb eines künstlichen Blutgefäßes (die Blutflussgeschwindigkeit war identisch, genauso wie die Konsistenz) steuern konnten. "Unsere Vision ist es, die nächste Generation Transportmittel für die minimal-invasive, gezielte Medikamentenverabreichung zu kreieren – eines, das noch weiter ins Körperinnere dringen kann und dabei noch schwieriger zu erreichende Bereiche zugänglich macht", sagt Metin Sitti, Direktor der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI-IS und Co-Autor der Publikation.
Jeder Mikroroller hat einen Durchmesser von knapp acht Mikrometern und besteht aus winzigen Glaspartikeln. Eine Seite ist mit einer dünnen Nickel- und Goldschicht bedeckt, an der anderen haften Krebsmedikamente sowie spezielle Moleküle, die Krebszellen aufspüren können. "Mit Hilfe von Magnetfeldern können unsere Mikroroboter stromaufwärts durch ein simuliertes Blutgefäß navigieren, was aufgrund des starken Blutflusses und der dichten zellulären Umgebung eine Herausforderung darstellt. Kein einziger Mikroroboter konnte einem solchen Strom bisher standhalten. Doch wir haben es geschafft! Darüber hinaus können unsere Roboter selbstständig für sie interessante Zellen, beispielsweise Krebszellen, erkennen. Das können sie, weil wir sie mit zellspezifischen Antikörpern beschichtet haben. Sie können die Wirkstoffmoleküle dann während der Fahrt freisetzen", sagt Yunus Alapan, Post-Doc in der Abteilung für Physische Intelligenz und ebenfalls Co-Autor der Publikation.
MEDICA.de; Quelle: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme