Während in der ersten Phase auftretende Symptome weniger ausgeprägt sind und Infizierte meist zuhause bleiben können, kommt es bei einem schweren Verlauf der Erkrankung in einer zweiten Phase zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands mit zum Teil schwerwiegenden Lungenentzündungen.
Jetzt wollen Schmidt und sein Team überprüfen, ob sich mittels eines Hightech-Sensors, der wie ein Hörgerät im Ohr getragen wird, eine Verschlechterung einer Covid-19-Erkrankung frühzeitig erkennen lässt. Damit verbindet sich auch die Hoffnung, durch eine frühzeitige Behandlung Intensivstationen zu entlasten, weil eine intensivmedizinische Behandlung inklusive maschineller Beatmung in einem Teil der Fälle gar nicht erst notwendig wird.
COVID-19-Infizierte in München werden aktuell nach Vorliegen des positiven Testergebnisses schnellstmöglich vom Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt (RGU) kontaktiert, das dann im telefonischen Kontakt täglich beratend zur Seite steht und den gesundheitlichen Zustand erfragt. Für positiv getestete Patientinnen und Patienten ohne oder mit nur leichten Symptomen wird eine 14-tägige häusliche Quarantäne angeordnet.
"Bislang sollen Erkrankte in der ersten Krankheitsphase selbst Fieber messen, sich beobachten und sich bei bestimmten Beschwerden telefonisch beim Gesundheitsamt oder in ihrer Hausarztpraxis melden", erläutert Georg Schmidt. "Dies bringt gewisse Unwägbarkeiten mit sich: Die Temperatur muss richtig gemessen sein, die Patientin oder der Patient muss sich für einen Anruf in der Praxis entscheiden, die Einweisung in die Klinik muss erfolgen. Hier kann es zu Verzögerungen kommen. Wir hoffen, dass wir durch eine automatische permanente Überwachung der Biodaten und eine schnelle Reaktion auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands die Prognose der Patientinnen und Patienten deutlich verbessern können."
Überwacht werden sollen neben der Körpertemperatur auch die Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz und Puls. Zudem wird mehrmals täglich ein sogenannter Polyscore bestimmt, der Auskunft darüber gibt, wie gut der Körper die Auswirkungen der Erkrankung kompensieren kann.
Bereits seit einiger Zeit kooperiert Schmidt mit dem Münchner Start-up cosinuss, das 2011 aus dem Thema einer Doktorarbeit an der TUM entstanden ist. Die Ohrsensoren des Unternehmens erfassen Biodaten unter anderem durch optische Verfahren. "Die Geräte messen alle Werte, die wir brauchen, und über eine Bluetooth-Funkverbindung an einen kleinen Computer schicken, der sie dann datenschutzkonform zur Auswertung an unsere Zentrale weiterleitet", sagt Georg Schmidt. "Wir haben uns für Ohrsensoren und gegen Ansätze wie Smartwatches entschieden, weil im Ohr das gemessene Signal besonders stabil und dementsprechend aussagekräftig ist. Aus einer Studie, die wir vor einigen Monaten zu einem anderen Thema gestartet haben, wissen wir außerdem, dass gerade ältere Menschen die Geräte komfortabel tragen können."
"Wir sind sehr froh, dass wir das Gesundheitsamt, die Rettungsdienste und das Wissenschaftsministerium so schnell von dem Projekt überzeugen konnten", sagt Georg Schmidt. Die Daten aus München sollen mit denen aus einer vergleichbaren deutschen Großstadt verglichen werden, in der ein solches Monitoring nicht zum Einsatz kommt. Die Pilotphase der Studie, in der Prozesse und Strukturen optimiert werden, läuft seit Mittwoch, 15. April.
MEDICA.de; Quelle: Technische Universität München