Die striktere Blutdruckeinstellung konnte also jedes viertes Ereignis verhindern. Die Studie wurde im The New England Journal of Medicine publiziert. Betrachtetet man die einzelnen Endpunkte gesondert, war der Effekt bei einigen deutlich größer als bei anderen. Die Rate akuter Dekompensation der chronischen Herzinsuffizienz, ein u.U. lebensbedrohlicher Notfall, bei dem der Körper nicht mehr in der Lage ist, die Herzschwäche auszugleichen, war in der Gruppe der strikt eingestellten Patientinnen und Patienten auf ein Drittel reduziert (HR: 0,27) – zwei von drei kardialen Dekompensationen konnten also verhindert werden. Auch der Effekt der strikteren Blutdruckeinstellung auf die Schlaganfallrate und Rate des akuten Koronarsyndroms war beträchtlich. Die HR betrug für beide 0,67, es konnte also fast jeder dritte Schlaganfall und fast jedes dritte akute Koronarsyndrom verhindert werden.
"Dieser große Effekt ist insofern erstaunlich, da die Gruppen hinsichtlich ihrer real erreichten Zielwerte gar nicht so weit auseinanderlagen. Die mittleren systolischen Blutdruckwerte betrugen 126,7 mm Hg in der intensiv behandelten Gruppe und 135,9 mm Hg in der Vergleichsgruppe. Das bedeutet, dass selbst die weniger strikt behandelten Patientinnen und Patienten systolische Blutdruckwerte unter 140 mm Hg hatten, das ist die rote Linie, ab der die europäischen Leitlinien des ESC/ESH [2] erst generell eine medikamentöse Therapie empfehlen", kommentiert Prof. Ulrich Wenzel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga.
"Doch gerade bei älteren Patienten sind wir großzügiger und tolerieren auch systolische Werte bis zu 140 mm Hg. Bei den über 65-Jährigen empfehlen die europäischen Leitlinien, die systolischen Werte nicht unter 130 mm Hg zu senken." Als Gründe führt der Experte an, dass es bei einer zu schnellen und zu tiefen Senkung zu Unwohlsein und Schwindel und in Folge zu Stürzen kommen kann und die Datenlage bislang so aussah, dass die Risiken den Nutzen zu überwiegen schienen. Auch in der vorliegenden Studie traten in der intensiv behandelten Gruppe mehr Fälle von Hypotonie auf (3,4% vs. 2,6%, p=0,03). Kritisch muss außerdem angemerkt werden, dass es sich in dieser Studienpopulation nicht wirklich um hochbetagte Menschen handelte. Zwar konnten Patientinnen und Patienten zwischen 60 und 80 Jahren eingeschlossen werden, das Durchschnittsalter betrug in dieser Studie aber letztlich 66,2 Jahre.
"Mit den vorliegenden Daten müssen wir nun wahrscheinlich umdenken und zumindest die Altersgrenze von 65 Jahren für eine intensivere Therapie hinterfragen, denn der kardiovaskuläre Nutzen der strikteren Blutdruckeinstellung war doch erheblich", so das Fazit von Professor Wenzel. Die amerikanischen Leitlinien empfehlen ohnehin seit längerem auch bei älteren Patientinnen und Patienten eine konsequente Blutdrucksenkung auf Werte unter 130 mm Hg.
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Hochdruckliga