Obwohl das Interesse von Forschern, Licht in diese Entwicklung zu bringen, in den vergangenen Jahren groß war, konnten sie bisher nur wenige Faktoren identifizieren, die dabei eine Rolle spielen. "Darüber hinaus sind die epigenetischen Mechanismen, von denen man annimmt, dass sie die Vermehrung der BPs auf genomweiter Ebene steuern, noch unbekannt", so Dr. Tran Tuoc aus der Abteilung Humangenetik der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam ist es ihm gelungen, einen Schlüsselfaktor für die Ausdehnung und Faltung des Neokortex auszumachen: die H3-Acetylierung, welche die Vermehrung von basalen Vorläuferzellen reguliert. Die Arbeit ist veröffentlicht in der Zeitschrift Science Advances vom 15. September 2021.
Um zu testen, ob die kortikale Expansion in der Evolution mit einer Veränderung der epigenetischen Landschaft einhergeht, untersuchten die Autoren zunächst, ob sich epigenetische Markierungen zwischen TBR2-positiven (+) BPs aus Maus- und menschlichen Kortizes unterscheiden. Sie führten eine intranukleare Immunfluoreszenzfärbung mit TBR2-Antikörpern und mit Einzelzellsuspensionen durch, die aus den sich entwickelnden Kortizes von Mäusen und Menschen isoliert wurden, gefolgt von einer fluoreszenzaktivierten Zellsortierung (FACS), um TBR2+ BPs zu reinigen.
Das Team setzte eine neue, auf Massenspektrometrie basierende Technik ein, um Unterschiede in der epigenetischen Landschaft zwischen dem sich entwickelnden Mäuse- und Menschengehirn zu bestimmen. "Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die sogenannte Histone H3 lysine 9 Acetylation, kurz H3K9ac, bei den basalen Vorläuferzellen von Mäusen gering ausgeprägt, bei menschlichen Zellen jedoch stark ausgeprägt ist", berichtet Tran Tuoc. Erhöhten die Forscher im Experiment die Acetylierung von Mäusenervenzellen, regte das deren Vermehrung an, was zu einem Wachstum und einer Faltung des normalerweise glatten Mäusekortex’ führte. Der Weg führt über eine erhöhte Expression des TRNP1-Gens.Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine Manipulation der H3-Acetylierung in basalen Vorläuferzellen helfen könnte, mehr Nervenzellen zu generieren, die wiederum zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen eingesetzt werden könnten.
MEDICA.de; Quelle: Ruhr-Universität Bochum