Der Vorteil der Phagen: Sie greifen nur ihr spezielles Wirtsbakterium an, haben keinen Einfluss auf Körperzellen und andere Bakterien. In Deutschland gibt es bislang keine zugelassenen Phagenpräparate, daher wollen die Phage4Cure-Partner Phagen als neues Medikament etablieren. "Die Phagentherapie an sich ist nicht neu, in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde sie jahrzehntelang erfolgreich eingesetzt. Doch hierzulande konnte sich diese individualspezifische Behandlung nicht durchsetzen. Dies liegt insbesondere an den fehlenden klinischen Studien. Angesichts der Antibiotikaresistenzen rücken die Phagen jedoch immer mehr in den Fokus der Forschung, zumal die pharmazeutische Industrie keine neuen Antibiotika entwickelt", sagt Prof. Holger Ziehr, Projektleiter am Fraunhofer ITEM.
Die Projektpartner erarbeiten eine neue Phagentherapie, die die Auswahl erfolgversprechender Phagen, den Herstellungsprozess, die pharmazeutische Herstellung, die präklinischen Studien sowie die klinischen Prüfungen umfasst. Zunächst soll ein inhalierbarer Wirkstoffcocktail aus drei Bakteriophagen gegen das multiresistente Bakterium Pseudomonas aeruginosa entwickelt werden, das weltweit die häufigste bakterielle Ursache von Lungenentzündungen bei Mukoviszidose-Patienten, aber auch von Harnwegsinfekten ist und sogar zur Blutvergiftung führen kann. Der neue Wirkstoff soll europäischen Richtlinien für Arzneimittel genügen. Davon profitieren würden erst einmal Mukoviszidose-Patienten. Aber das ist erst der Anfang: "Unser Ziel ist es, Phagen als zusätzliche Therapie für verschiedene Infektionskrankheiten zu entwickeln – vor allem dort, wo Antibiotika nicht mehr wirken", so der Forscher.
Für den Herstellungsprozess ist das Fraunhofer ITEM verantwortlich. Hierbei werden Bakterien, in diesem Fall Pseudomonas aeruginosa, in Bioreaktoren herangezogen. "Haben diese eine bestimmte Zelldichte erreicht, geben wir Phagen dazu, die den Vermehrungszyklus solange durchlaufen, bis alle Bakterien zerstört sind und eine klare Brühe mit Phagen übrigbleibt, aus der wir im nächsten Schritt pharmazeutisch aufreinigen", erklärt der Biochemiker. Der Herstellungsprozess ist plattformartig aufgebaut, das heißt er ist mit nur geringen Veränderungen auch auf andere Phagen übertragbar. Das Fraunhofer ITEM bekommt die Phagen von der DSMZ zur Verfügung gestellt.
Die Phagen werden als Cocktail für den Patienten zusammengestellt. Im Projekt wurden zunächst klinische Bakterienisolate von Mukoviszidose-Patienten gesammelt. Die DSMZ ermittelte anschließend Phagen, die in der Lage sind, die Isolate aufzulösen. "Beim Screening konnten drei Phagen mit einem möglichst breiten Wirtsspektrum identifiziert werden, die zusammen 70 Prozent der 150 Isolate zerstören. Von hundert Patienten könnten wir also etwa 70 mit unserem Phagen-Cocktail heilen", so der Forscher.
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft