Dasselbe Modell kann auch eingesetzt werden, um anhand eines Schädels ein Gesicht zu rekonstruieren. Es könnte somit auch helfen, Kriminalfälle aufzuklären. Forschende des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld, der Hochschule RheinMain sowie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben dieses Modell nun veröffentlicht.
Viele Kinder und Jugendliche tragen für eine bestimmte Zeit eine Zahnspange, weil sie eine Fehlstellung des Kiefers haben. Um die Zahnspange an den jeweiligen Kiefer anzupassen, sind umfassende Untersuchungen notwendig. Dazu gehören auch Untersuchungen mit Röntgenstrahlen, bei denen in der Regel der komplette Kiefer aufgenommen wird.
Heutige Röntgengeräte sind moderner als früher und lassen sich zielgerichtet einsetzen. "Trotzdem steigt die Dosis durch Röntgenaufnahmen nachweislich seit den 1990er-Jahren Jahr für Jahr an, so dass alle Maßnahmen zum Strahlenschutz zu begrüßen sind. Insbesondere Kinder und Jugendliche mit ihrer überproportional erhöhten Strahlenempfindlichkeit sollten so wenig Strahlung ausgesetzt werden wie möglich", sagt Prof. Dr. Ralf Schulze von der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz. Er leitet eine Arbeitsgruppe im Forschungsschwerpunkt BiomaTiCS – Biomaterials, Tissues and Cells in Science der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der sich mit der Interaktion von Geweben und Zellen mit körperfremden Materialien und Oberflächen beschäftigt.
Zudem forscht er mit in dem Verbundprojekt Kephalos der Hochschule RheinMain, welches dort von Prof. Dr. Ulrich Schwanecke, Leiter der Forschungsgruppe Computer Vision and Mixed Reality, geleitet wird. Weitere Projektpartner sind Prof. Dr. Elmar Schömer vom Institut für Informatik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Prof. Dr. Mario Botsch, Leiter der Forschungsgruppe "Computergrafik und Geometrieverarbeitung" vom Exzellenzcluster CITEC der Universität Bielefeld.
Ziel des Projekts ist es, eine Methode zu entwickeln, die es erlaubt, die Form des Gesichtsschädels auf Basis von maximal einer Röntgenaufnahme in Verbindung mit einem Gesichtsscan zu berechnen. Damit ließe sich die Strahlungsdosis für bestimmte Untersuchungen deutlich reduzieren. "In dem Projekt zeigte sich, dass die Berechnung des Gesichtsschädels schon alleine mit einem Gesichtsscan möglich ist. Dies hatten wir ursprünglich nicht erwartet", sagt Schwanecke.
Grundlage des präsentierten Verfahrens sind statistische Modelle, welche die Variation von Gesichtern, Gesichtsschädeln sowie der Hautdicke im Gesicht beschreiben. Um die Modelle zu erhalten, analysierten die Forschenden dreidimensionale Aufnahmen von rund 40 Schädeln und 80 Gesichtern, die im Wesentlichen aus der Universitätsmedizin Mainz stammten.
Die Wissenschaftler entwickelten daraus ihre Modelle, welche auf einer Menge von Messpunkten beruhen, die über Dreiecke miteinander verbunden sind und wie ein Netz mit dreieckigen Maschen ein Gesicht oder einen Schädel überziehen. Die genaue Lage der Eckpunkte dieser Dreiecke ist dabei für jedes Gesicht beziehungsweise jeden Schädel anders. Die entwickelten statistischen Modelle kodieren nun die statistische Verteilung der Eckpunkte zu den analysierten Schädel- oder Gesichtsaufnahmen. "Das Modell wird immer genauer, je mehr Daten wir zur Verfügung haben", erklärt Botsch.
MEDICA.de; Quelle: Hochschule RheinMain