"Wir setzen dann an der aufgedehnten Stelle eine Prothese ein, die das Gefäß stabilisiert", erklärt Dr. Daniela Branzan, Gefäßchirurgin am Universitätsklinikum Leipzig. "Damit diese Prothese bestmöglich passt, müssen wir diese bei komplizierten Fällen im Vorfeld ganz individuell anpassen", so Branzan weiter.
Bisher erfolgte diese Anpassung entweder aufwändig und mit eingeschränkter Genauigkeit von Hand anhand der 2D-Bilder oder längerfristig und präziser durch eine externe Firma, die individuelle Prothesen fertigte. Für die Patienten bedeutete das Unsicherheit oder zwei bis drei Monate Wartezeit.
"Bei Notfällen haben wir diese Zeit aber nicht", so Branzan. Deshalb war die Gefäßmedizinerin begeistert, als sie auf ein Projekt im eigenen Haus stieß: Eine Forschergruppe arbeitete an Anwendungen von 3D-Druckmodellen in der Neurochirurgie.
Grundlage dafür war die von UKL-Ärzten und Wissenschaftlern gemeinsam mit dem Fraunhofer IWU entwickelte Technologieplattform "next3D". Diese Plattform beinhaltet eine softwaregestützte Prozesskette, die medizinisches Bildmaterial auswertet und in dreidimensionale Druckvorlagen überträgt.
Das erste hier am UKL entwickelte Produkt war ein individuell passendes System für neurochirurgische Eingriffe, ein sogenannter Steroetaxie-Rahmen. Mit Hilfe dieses Geräts werden Elektroden hochpräzise im Gehirn platziert. Für die Forscher lagen die weiteren Anwendungsmöglichkeiten der Methode auf der Hand:
"Wir waren uns sicher, dass wir mit unserem Verfahren auch schnell und hochpräzise Gefäßmodelle der Aorta auf der Grundlage von Computertomografiedaten herstellen können", beschreibt Dr. Ronny Grunert, Leiter der Forschungsgruppe.
Das Ergebnis gibt ihm recht: Mit dem neuen Verfahren können die Leipziger Gefäßmediziner jetzt innerhalb von 24 Stunden ein individuelles Gefäßmodell aus Kunststoff mit dem 3D-Drucker herstellen. Die Prothese kann auf dieses Modell wie auf eine Schablone aufgezogen und an Gefäßabzweigungen genau angepasst werden. Damit erhöhen sich die Chancen für eine erfolgreiche Operation des lebensgefährlichen Aneurysmas, denn die Behandlungszeit wird deutlich verkürzt.
Die Prothesen sitzen sofort perfekt und stabilisieren die gefährdete Stelle, ohne andere Gefäße zu behindern. Bereits sieben Mal kam die neue Methode in den letzten zehn Monaten bei Hochrisikopatienten, für die keine andere Behandlungsoption mehr bestand, zum Einsatz. Allen Patienten geht es heute gut. "Mit größter Wahrscheinlichkeit verdanken diese Patienten dem neuen Verfahren ihr Leben", sagt Dr. Branzan.
Über diese erfreulichen Ergebnisse eines Einsatzes des 3D-Drucks in der Gefäßmedizin hat die Forschungsgruppe bereits in der renommierten Fachzeitschrift "JACC" sowie auf mehreren Kongressen berichtet.
"Wir wissen daher, dass es außer uns derzeit nur ein weiteres Team in Seattle gibt, das ein teilweise ähnliches Verfahren einsetzt", resümiert Gefäßchirurgin Branzan. Die Leipziger Methode ist damit einmalig, ein Patent ist bereits angemeldet. Im Juni wurde das Projekt zudem beim 15. IQ Innovationspreis Mitteldeutschland mit dem Preis der Stadt Leipzig ausgezeichnet.
Die Leipziger um das Forscherteam mit Dr. Ronny Grunert als technischen Leiter und Prof. Dirk Winkler als medizinischen Leiter sind optimistisch, dass sie bald 3D-Druckmodelle auch in anderen Bereichen der Chirurgie nutzen können. So planen die Neurochirurgen, die das Projekt vor zwei Jahren initiierten und die gemeinsam zahlreichen logistische und technische Hürden nehmen mussten, die baldige Anwendung "ihres" Fertigungsprinzips in der Patientenenversorgung anderer Fachrichtungen.
MEDICA.de; Quelle: Universitätsklinikum Leipzig