Diagnosen, die zur Aufnahme auf die ITS führten, waren akutes Lungenversagen (ARDS), Sepsis, chronisch obstruktive Lungenerkrankung und kardiogener Schock. "Was uns interessierte, waren die Auswirkungen einer Intensivbehandlung auf das 'gesunde Gehirn'", erklärt Emmrich den Ausschluss von Patienten mit einer primär neurologischen Erkrankung. Der Grund dafür ist, dass kognitive Defizite nach einer direkten Hirnschädigung, wie zum Beispiel Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma, sehr häufig sind.
Ihre Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass 17-78% der Patienten nach einer intensivstationären Behandlung von Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit betroffen sind, welche überwiegend neu auftraten, unmittelbar nach Entlassung am stärksten ausgeprägt waren und mindestens 0,5 bis 9 Jahre anhielten. Kognitive Domänen, die nach ITS-Aufenthalt besonders betroffen sind, sind Konzentration und Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Exekutivfunktionen wie Entscheidungen treffen, Verwerten von Feedback, (Selbst-)Reflexion. Das Delir (akute Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörung, die von einer Denkstörung begleitet sein kann) ist der am besten untersuchte Risikofaktor für langfristige kognitive Defizite nach einer Intensivbehandlung. Bei Intensivpatienten tritt in 30-80 % der Fälle ein Delir auf.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Prävention und Behandlung von Delir zur Vermeidung kognitiver Schädigungen nach ITS-Behandlung führt. "Im besten Fall lässt sich ein Delir durch das Erkennen und Vermeiden von Risikofaktoren verhindern. Kleine wie große Kliniken sind dazu gleichermaßen in der Lage. Leitlinien sind vorhanden und es gibt einige exzellente Beispiele, wie durch gezieltes Delir-Screening und Delir-Prävention in der klinischen Routine Patienten geholfen wird. Das Delir-Screening wird in der klinischen Praxis häufig von qualifiziertem Pflegepersonal durchgeführt. Wir als NeuroIntensivmediziner sollten daran arbeiten, ärztliche und pflegerische Kollegen auch aus der anästhesiologischen, internistischen und chirurgischen Intensivmedizin für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren, um möglichst viele Patienten vor den möglichen kognitiven Schäden einer ITS-Behandlung zu schützen", erklärt Emmrich. "Es mangelt aus unserer Sicht leider immer noch an dem Bewusstsein für dieses hoch relevante Thema, was die Umsetzung von Empfehlungen in der klinischen Praxis erschwert."
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin