Bereits im Januar reifte daher die Idee, diese Grundlagen zu nutzen - und den Sensor so weiterzuentwickeln, dass er einen spezifischen Virus zuverlässig identifiziert. Der Sensor soll die etablierten Labortests nicht unbedingt ersetzen, sondern er könnte als alternative Methode für die klinische Diagnose genutzt werden. Und insbesondere, um die Virenkonzentration in der Luft in Echtzeit zu messen, etwa an stark frequentierten Orten wie Bahnhöfen oder in Spitälern.
Die meisten Labors verwenden eine molekulare Methode, die sich "Reverse Transcription Polymerase Chain Reaction" nennt, kurz
RT-PCR, um Viren bei Infektionen der Atemorgane aufzuspüren. Diese ist etabliert und kann bereits winzige Mengen der Viren aufspüren - doch gleichzeitig sind die Tests oft zeitraubend.
Jing Wang hat mit seinem Team eine alternative Testmethode entwickelt, in der Form eines optischen Biosensors. Der Sensor verbindet dabei zwei verschiedene Effekte, um das Virus sicher und zuverlässig aufzuspüren: einen optischen und eine thermischen.
Der Sensor basiert auf winzigen Strukturen aus Gold, sogenannte Gold-Nanoinseln, auf einem Glassubstrat. Auf den Nanoinseln werden künstlich hergestellte DNA-Sequenzen aufgebracht, die zu bestimmten
RNA-Sequenzen des SARS-CoV-2-Virus passen. Das neue Coronavirus ist ein sogenanntes RNA-Virus: Sein Genom besteht, nicht wie etwa bei Menschen, Tieren und Pflanzen, aus DNA-Doppelsträngen, sondern aus einem einzelnen RNA-Strang. Die künstlichen DNA-Rezeptoren auf dem Sensor sind also die Komplementärsequenzen zu den eindeutigen RNA-Genomsequenzen des Virus, die diesen eindeutig identifizieren können.
Die Technologie, die die Forscher zur Virus-Detektion einsetzen, nennt sich LSPR ("localized surface plasmon resonance"). Dabei handelt es sich um ein optisches Phänomen, das bei metallischen Nanostrukturen auftritt: Diese modulieren im angeregten Zustand das einfallende Licht in einem bestimmten Wellenlängenbereich und erzeugen ein sogenanntes plasmonisches Nahfeld um die Nanostruktur. Wenn an der Oberfläche Moleküle andocken, dann ändert sich genau an dieser Stelle der optische Brechungsindex in diesem plasmonischen Nahfeld. Mit einem optischen Sensor, der sich auf der Hinterseite des Sensors befindet, lässt sich dies messen und somit feststellen, ob sich in der Probe die gesuchten RNA-Stränge befinden.
Zentral ist dabei aber natürlich, dass nur diejenigen RNA-Stränge vom
DNA-Rezeptor auf dem Sensor eingefangen werden, die exakt darauf passen. Hier kommt ein zweiter Effekt ins Spiel: der plasmonische photothermale Effekt (PPT). Wird dieselbe Nanostruktur auf dem Sensor mit einem Laser einer bestimmten Wellenlänge angeregt, so produziert diese Wärme.
Um aufzuzeigen, wie zuverlässig der neue Sensor den aktuellen COVID-19-Virus feststellt, testeten ihn die Forschenden mit einem sehr nah verwandten Virus: SARS-CoV. Dabei handelt es sich um das Virus, das 2003 die SARS-Pandemie auslöste. Die beiden Viren – SARS-CoV und SARS-CoV2 – unterscheiden sich in ihrer RNA nur geringfügig, eine eindeutige Unterscheidung ist also äusserst schwierig. Doch das Experiment gelang: "Unsere Tests zeigten, dass der Sensor klar zwischen den sehr ähnlichen RNA-Sequenzen der beiden Viren unterscheiden kann", erklärt Jing Wang.
MEDICA.de; Quelle: Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt