Die Zeitspanne, bis die Gefäßblockade behoben ist, muss so kurz wie möglich sein, um so viele Nervenzellen wie möglich vor dem Absterben zu retten. Nur so können bleibende neurologische Schäden verhindert werden.
Welche Behandlungsmethode hierfür am besten geeignet ist, ist in der gebotenen Eile nicht immer leicht zu bestimmen. Basierend auf Röntgenanalytik und Elektronenmikroskopie entwickelt ein Team der Empa, des Universitätsspitals Genf und der Klinik Hirslanden derzeit eine Methode, mit der sich die optimale Therapie in kürzester Zeit bestimmen lassen soll. Eine erste Studie ist in Scientific Reports erschienen. Diese Daten sollen die Grundlage für eine maßgeschneiderte Behandlung im Sinne der personalisierten Medizin schaffen.
Der Grund: Blutgerinnsel ist nicht gleich Blutgerinnsel; je nach Typus können darin verschiedene Zellarten miteinander verklumpen. Je nachdem, ob rote oder weiße Blutkörperchen dominieren oder wie stark der Anteil von eiweißhaltigen Fibrinfasern ist, weist der Thrombus ganz andere Eigenschaften auf. Zudem unterscheiden sich die Thromben in ihrer Gestalt stark voneinander. Ein 15 Millimeter langer Thrombus, der ein Blutgefäß nicht ganz ausfüllt, hat andere mechanische Eigenschaften als ein lediglich wenige Millimeter-kurzes Gerinnsel, das aber ein Gefäß komplett verstopft und die Blutzufuhr zu den dahinterliegenden Hirnarealen lahmlegt. Nach diesen Unterschieden richtet sich die optimale Behandlung.
Das Team unter Beteiligung von Robert Zboray, Antonia Neels und Somayeh Saghamanesh vom "Center for X-Ray Analytics" der Empa hat nun verschiedene Blutgerinnsel, die bei neurochirurgischen Eingriffen an Patientinnen und Patienten entnommen worden waren, untersucht. Hierzu wurden verschiedene Labortechnologien kombiniert, wodurch sich virtuelle 3D-Befunde mit detaillierten und bisher unbekannten Eigenschaften von Blutgerinnseln ergaben. "Wir haben einzelne rote Blutkörperchen mittels 3D-Mikro-Tomographie bis auf den Mikrometer genau durchleuchtet", sagt Empa-Forscher Zboray. Derartige Tomographien mit Phasenkontrastverfahren erzeugen einen stärkeren Kontrast. Leicht zu durchdringende Objekte, wie etwa Muskeln, Bindegewebe oder Blutgerinnsel, können so in besonders feinen Nuancen und in ihrer räumlichen Ausbreitung dargestellt werden.
Weitere Technologien wie die Rasterelektronenmikroskopie und Röntgendiffraktions- und Röntgenstreuungsverfahren lieferten zusätzliche Informationen bis hin zu atomaren Strukturen. Hier zeigte sich erstmals, dass ein Thrombus nicht nur aus Blutzellen und Fibrinfäden besteht, sondern sogar mit Mineralien wie Hydroxylapatit durchsetzt sein kann, wie man es von Gefäßwänden bei der Arterienverkalkung kennt.
Diese detaillierten Informationen zu den Eigenheiten eines Blutgerinnsels kommen jedoch zu spät, wenn der Thrombus bereits operativ entfernt worden ist. Zudem lassen sich die neu gewonnenen Daten nicht auf den ersten Blick mit den gewohnten Bildern und Befunden im Krankenhaus abgleichen. Die Digitalisierung in der Medizin erlaubt indes, die Daten so zu modellieren, dass ein Algorithmus in Zukunft die Detailinformationen auslesen könnte. "Hierzu müssen wir noch deutlich mehr Thromben untersuchen, damit wir über "Machine Learning" neue Merkmale und Bildmuster bezüglich der Zusammensetzung der Gerinnsel erkennen können, die sich dann auf Bilder übertragen lassen und damit die Identifizierung von verschiedenen Thrombustypen erleichtern", so Zboray.
Dann, so das Ziel der Forschenden, liessen sich herkömmliche Bilder in kürzester Zeit so interpretieren, als ob das Blutgerinnsel im Kopf in einem virtuellen Labor untersucht worden würde. Letztendlich ermöglicht dies für den Schlaganfall-Patienten rasch eine genauere und personalisierte Therapie.
MEDICA.de; Quelle: Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt