Das Besondere daran: Die virtuellen Bewegungen werden abhängig von der Gehirnaktivität gezeigt. Um sie in der VR-Brille zu sehen, müssen sich die Patienten die Bewegung mental vorstellen. Das soll das Gehirn anregen, sich umzustrukturieren und langfristig neue und effizientere Aktivitätsmuster zu speichern.
Das Projekt will eine hochimmersive virtuelle Realität (VR) entwickeln, in der Schlaganfallpatienten wahrnehmen, wie sich ihr chronisch gelähmtes Körperteil bewegt. Das Besondere daran: Die virtuellen Bewegungen werden abhängig von der Gehirnaktivität gezeigt. Um sie in der VR-Brille zu sehen, müssen sich die Patienten die Bewegung mental vorstellen. Das soll das Gehirn anregen, sich umzustrukturieren und langfristig neue und effizientere Aktivitätsmuster zu speichern.
"Nehmen Patienten im virtuellen Raum wahr, wie sie eine gelähmte Hand bewegen können, so begünstigt diese Illusion die Reorganisation von Netzwerken im Gehirn und damit den Heilungsprozess", so Studienleiter Ziemann. "Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass der Zustand des Gehirns zum Zeitpunkt der Stimulation entscheidend dafür ist, ob es zu einer plastischen Veränderung der Hirnnetzwerke kommt oder nicht". Ziemann arbeitet daher seit Jahren an der sogenannten closed-loop Stimulation. Dabei liest und wertet ein Elektroenzephalogramm (EEG) die Gehirnaktivität in Echtzeit aus. Die Daten erlauben dann im optimalen Zeitpunkt einzugreifen und das Gehirn zu stimulieren – in diesem Fall mit der Wahrnehmung und Durchführung einer Bewegung.
"Mit "Rehality" soll der Patient in Bewegung gebracht werden. Dabei trainiert er neue Aktivitätsmuster im Gehirn. Langfristig sollen die Muster gestärkt werden, die effizient zu einer Bewegung führen", erklärt Projektkoordinator Dr. Christoph Zrenner. Im virtuellen Raum sieht der Patient, wie sich etwa seine gelähmte Hand hebt. Der Trick: Durch das closed-loop Paradigma wird ihm immer nur dann eine virtuelle Bewegung angezeigt, wenn der Proband tatsächlich mit maximaler Mühe versucht, die Hand zu bewegen.
Doch wie sieht das Aktivitätsmuster im Gehirn aus, wenn wir eine Hand heben? In der ersten Phase des Forschungsprojekts wird Fragen wie dieser auf den Grund gegangen und die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen erforscht. Die klinischen Tests an Schlaganfallpatienten mit chronischen Lähmungen erfolgen dann im zweiten Schritt, der voraussichtlich Ende 2020 beginnt. "Bis "Rehality" standardmäßig in der Therapie eingesetzt werden kann, dauert es noch einmal ein paar Jahre", so Ziemann.
Langfristig soll die "Rehality"-Therapie die Versorgungslücke zwischen stationärer Akutbehandlung, Rehabilitation und Therapie daheim schließen. Das soll zum einen Kosten einsparen und zum anderen den erfolgreichen Wiedereinstieg in ein eigenständiges Leben und Erwerbsfähigkeit beschleunigen. "Damit wir dieses Ziel erreichen, muss "Rehality" Spaß machen. Wir hoffen, dass es wie andere digitale Spiele eine Art Suchtfaktor mitbringt, der den Patienten gerne und lange trainieren lässt", sagt Ziemann.
Grundsätzlich gilt: Je attraktiver das Spiel, desto größer der Trainingserfolg. Die Tübinger Wissenschaftler arbeiten daher eng mit dem Institut für Games an der Hochschule der Medien in Stuttgart zusammen, das die Entwicklung des Designs übernimmt. Die Firma VTplus GmbH in Würzburg bringt wiederum ihre Erfahrungen in der Umsetzung von VR-Systemen und Anwendungen zur Durchführung von Therapieforschung mit virtueller Realität ein.
MEDICA.de; Quelle: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)