Einerseits führen die Fortschritte in Technologie und Medizin sowie der demografische Wandel zu einer stetig steigenden Arbeitsbelastung: Immer mehr Datenquellen und Bildgebungsoptionen stehen zur Verfügung, immer mehr und detailreichere Bilder wollen schneller befundet werden. Gleichzeitig gilt es, mit bildgestützter Diagnose und Therapiesteuerung bestmöglich auf den individuellen Patienten einzugehen – und der wird vor allem dank des Wissenszuwachses in der Medizin immer "einzigartiger". Brustkrebs oder Lungenkrebs sind keine einheitlichen Erkrankungen mehr, sondern sie werden anhand von molekularen und anderen Markern in Subtypen unterteilt. Entsprechend präziser sind die Aussagen, die von den Diagnostikern erwartet werden. "Personalisierte Medizin" ist die Zielvorgabe, der man von Jahr zu Jahr näherkommt.
Für Floca sind die modernen Möglichkeiten der Big Data Analyse und der künstlichen Intelligenz bzw. des Maschinenlernens ein Teil der Antwort auf die Frage, wie die Radiologie mit zunehmender Quantität und ständig steigenden Ansprüchen an die Qualität umgehen kann. "Für eine Medizin 4.0 müssen wir in der Lage sein, Informationen, die an unterschiedlichen Stellen im Gesundheitswesen anfallen, gemeinsam zu nutzen", betont Floca.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine integrierte Diagnostik mit (teil-)automatisierter Analytik ist die technische Kompatibilität der unterschiedlichen IT-Systeme. So müssen diagnostische Informationen über Grenzen einzelner IT-Systeme hinweg analysiert und transportiert werden können. Deutschland hat hier noch viel Arbeit vor sich, um konkurrenzfähig zu sein. Seit 2016 wird deshalb im Rahmen der Medizininformatik-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in mehreren Forschungsverbünden wichtige Standardisierungsarbeit geleistet – darunter auch für die radiologische Diagnostik, die z.B. in dem Konsortium "HiGHmed" durch Floca und andere Wissenschaftler integriert wird.
Aber nicht nur IT-Systeme müssen "interoperabel" sein, auch bei den radiologischen Geräten gibt es noch viel zu tun: "Bisher sind Datensätze, die von Geräten unterschiedlicher Hersteller erzeugt werden, oft nur schwer vergleichbar. Das macht es schwierig, Algorithmen so zu trainieren, dass sie wirklich breit nutzbar sind", so Floca. Die Heterogenität der bildgebenden Geräte ist z.B. der Grund, warum in der NaKo bundesweit einheitliche MRT-Systeme genutzt werden. Andere diagnostische Fächer sind da schon weiter: So werden in der Labormedizin erhebliche Anstrengungen unternommen, anbieterübergreifende Standards zu etablieren, beispielsweise durch Ringversuche. "Auch in der Bildgebung müssen wir eine stärkere Homogenisierung und Quantifizierung der Daten erreichen, wenn die Radiologie 4.0 Wirklichkeit werden soll", so Floca.
Noch einen Punkt hält Floca mit Blick auf eine "Radiologie 4.0" für entscheidend: Diagnostische Algorithmen dürfen keine "Blackbox" bleiben: "Wenn Algorithmen klinisch genutzt werden sollen, dann müssen ihre Entscheidungen nachvollziehbar sein. Es muss transparent sein, welcher Bildanteil weshalb zu einer Entscheidung geführt hat. Die Algorithmen müssen außerdem gewissermaßen selbstkritisch sein und ihre eigenen Grenzen einschätzen können." In eigenen Forschungsprojekten bringen die Heidelberger ihren Algorithmen beispielsweise bei, diagnostische Unsicherheiten mit anzugeben, damit der Nutzer besser einschätzen kann, wie sehr er sich auf die Empfehlung einer künstlichen diagnostischen Intelligenz verlassen kann. "Letztlich muss ein Algorithmus als ein Expertensystem das leisten können, was wir auch von Experten erwarten, nämlich die Grenzen seiner Möglichkeiten erkennen, das dann anzeigen und gegebenenfalls ungeklärte Fragen an die höhere Instanz übergeben – den menschlichen Experten."
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Röntgengesellschaft e.V.