Vom ApoE-Gen sind drei Varianten bekannt. Die häufigste Form steht für ein durchschnittliches Alzheimer-Risiko - eine der beiden selteneren Varianten für ein erhöhtes, die andere für ein verringertes Risiko. "Uns hat interessiert, ob und wie sich die verschiedenen Genvarianten auf die Hirnfunktion auswirken. Deshalb haben wir die Gehirne junger Erwachsener im Hirnscanner untersucht, während sie eine Aufgabe lösen mussten, die ihr Gedächtnis herausforderte", erläutert Dr. Hweeling Lee, die die aktuelle Studie am DZNE in Bonn leitete.
Die Gruppe der Versuchsteilnehmenden umfasste 82 junge Frauen und Männer. Sie waren jeweils etwa 20 Jahre alt, alle studierten an einer Universität und galten als kognitiv gesund. Gemäß ihrer Erbanlagen für ApoE hatten 33 Teilnehmende ein durchschnittliches, 34 ein erhöhtes und 15 ein verringertes Risiko, im späten Alter an Alzheimer zu erkranken. "Wir haben die Fähigkeit getestet, ähnliche Geschehnisse voneinander zu unterscheiden. Das nennt man Muster-Trennung", sagt Hweeling Lee.
Parallel zu dieser Versuchsreihe wurde mit einem Messverfahren, das sich "funktionelle Magnetresonanztomografie" nennt, die Hirnaktivität der Probanden registriert. Im Fokus stand der Hippocampus, ein nur wenige Kubikzentimeter großes Areal, das einmal in jeder Gehirnhälfte vorkommt. Der Hippocampus gilt als Schaltzentrale des Gedächtnisses. Außerdem zählt er zu jenen Hirnbereichen, in denen bei einer Alzheimer-Erkrankung erste Schäden auftreten.
Bei der Messung der Hirnaktivität konnte der Scanner sein Potential voll ausspielen: Es handelte sich nämlich um einen "Ultra-Hochfeld-Tomografen" mit einer Magnetfeldstärke von sieben Tesla. Solche Geräte erreichen eine bessere Auflösung als Hirnscanner, die bei medizinischen Untersuchungen üblicherweise zum Einsatz kommen. Dies ermöglichte es den Forschenden, die Hirnaktivität in diversen Teilbereichen des Hippocampus mit hoher Präzision zu erfassen. "Bislang gab es keine vergleichbaren Studien mit solcher Detailschärfe an Teilnehmern, die hinsichtlich ApoE genotypisiert waren. Das ist ein besonderes Merkmal unserer Studie", so Hweeling Lee.
Hinsichtlich der Fähigkeit zur Mustertrennung gab es keine Unterschiede zwischen den drei Probandengruppen. "Alle Studienteilnehmer waren im Gedächtnistest ähnlich gut – unabhängig davon, ob sie ein erhöhtes, ein verringertes oder ein durchschnittliches Risiko für Alzheimer hatten. Bei jungen gesunden Menschen sind solche Ergebnisse durchaus zu erwarten", so Nikolai Axmacher, Professor für Neuropsychologie an der Ruhr-Universität Bochum, der an der aktuellen Studie ebenfalls beteiligt war. "Unterschiede gab es gleichwohl in der Hirnaktivität. Die verschiedenen Probandengruppen aktivierten die diversen Unterbereiche des Hippocampus in unterschiedlicher Weise und unterschiedlich stark. Tatsächlich haben wir Unterschiede in der Hirnaktivierung nicht nur zwischen Personen mit durchschnittlichem und erhöhtem Risiko beobachtet, sondern auch zwischen Personen mit durchschnittlichem und reduziertem Risiko."
MEDICA.de; Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V.