Ob die Situation auch in Deutschland so dramatisch ist, wie es die Studiendaten vermuten lassen, soll möglichst bald durch weitere Auswertungen geklärt werden. Momentan sind alle chirurgischen Kliniken in Deutschland dringend aufgerufen, sich an der CovidSurg Kohorten-Studie zu beteiligen.
Mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte Patienten, die sich einer Operation unterziehen mussten, haben ein stark erhöhtes Risiko, postoperativ zu versterben, wie eine neue weltweit durchgeführte Studie zeigt, die aktuell in Fachjournal The Lancet veröffentlicht wurde. Diese repräsentieren vor allem die Situation in Europa, auch einige Krankenhäuser in Afrika, Asien und Nordamerika waren beteiligt.
Nach den jetzt veröffentlichten Ergebnissen, die unter der Leitung der NIHR Global Research Health Unit on Global Surgery an der Universität Birmingham ausgewertet wurden, haben SARS-CoV-2-infizierte Patienten, die sich einer Operation unterziehen, wesentlich schlechtere postoperative Ergebnisse als ohne die Infektion. Insgesamt lag die Mortalität während der ersten 30 Tage nach der Operation bei 23,8 Prozent. Dabei war die Mortalität in allen Untergruppen unverhältnismäßig hoch. Dies betraf sowohl elektive chirurgische Eingriffe (18,9 Prozent), Notfalloperationen (25,6 Prozent), kleinere Operationen (16,3 Prozent) als auch größere chirurgische Eingriffe (26,9 Prozent).
Der Tübinger Mitautor der Studie, Prof. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, kommentierte den Bericht: "Normalerweise erwarten wir, dass die Sterblichkeitsrate von Patienten, die sich elektiven Operation unterziehen, unter einem Prozent liegt. Diese Studie zeigt nun aber, dass die Sterblichkeitsrate bei Patienten, die mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert sind, selbst bei Routineoperationen ganz wesentlich erhöht ist. Tatsächlich ist die Sterblichkeitsrate so stark erhöht, dass sie mit dem Mortalitätsrisiko von Hochrisiko-Patienten vor der Pandemie vergleichbar ist." Ob sich diese Zahlen auch auf deutsche Krankenhäuser übertragen lassen, soll aktuell mit zusätzlichen Daten vordringlich analysiert werden.
Ziel muss es jetzt also sein, nicht nur bei Notfalleingriffen sondern auch vor geplanten Operationen alles zu tun, um eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 möglichst auszuschließen. In Tübingen wurde deshalb eine telefonische Kontaktaufnahme mit den Patienten am Vortag der geplanten stationären Aufnahme und eine fokussierte Eingangsbewertung in Verbindung mit einem Abstrich bei Risikopatienten am Aufnahmetag etabliert. Ebenso gibt es auditierte Verfahrensanweisungen für alle Mitarbeiter und eine strenge Isolierung von Patienten mit nachgewiesener Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, um das Risiko, sich in der Klinik damit anzustecken, praktisch auszuschließen. "Dank dieser Maßnahmen ist es in Tübingen bislang gelungen, keinen einzigen Patienten mit einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu übersehen oder für eine planbare Operation aufzunehmen", so Königsrainer.
MEDICA.de; Quelle: Universitätsklinikum Tübingen