Doch gelingt es mikrobiellen Angreifern wie SARS-CoV-2, das Immunsystem auszutricksen beziehungsweise zu überfordern, sieht das gleich aus wie ein totales Versagen. Der 35-jährige Wissenschaftler möchte nun mit seiner Forschung zur Immunmodulation der körpereigenen Erregerabwehr auf die Sprünge helfen, damit es virale Eindringlinge effektiver unschädlich machen kann.
Dass Dr. Konstantin Sparrer jetzt auch zum neuen Coronavirus forscht, ist der aktuellen Pandemie geschuldet. Mit dem Zusammenspiel von Viren und Immunsystem befasst sich der in München geborene Forscher allerdings schon viel länger. Sparrer, der an der LMU München Chemie und Biochemie studiert und dort über Tollwut- und Masernviren promoviert hat, forschte als Postdoktorand an der Harvard Medical School und später an der University of Chicago zu mehr als 10 verschiedenen Virusarten. Dabei ging es darum, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Interaktion zwischen Erreger und Immunabwehr zu erkennen.
Dr. Konstantin Sparrer konzentriert sich in seiner Forschung auf die sogenannte angeborene Immunantwort, die in jeder Zelle unseres Körpers aktiv ist und dort zur Abwehr von Krankheitserregern ganz wesentlich beiträgt. "Wir suchen in diesem hochkomplexen System nach 'Knotenpunkten', an denen sich verschiedene Pfade und Signalwege des Immunsystems überschneiden. Welche gemeinsamen Moleküle gibt es hier? Über welche Knotenpunkte lässt sich das System gezielt beeinflussen?", fragt der Forscher. "Manchmal brauchen die körpereigenen Verteidigungslinien nur einen kleinen 'Push', um noch schlagkräftiger zu werden. Unser Ziel ist es, das Immunsystem gezielt an mehreren Stellen gleichzeitig zu unterstützen", sagt der Virenforscher. Immunmodulation nennt man diesen Prozess. Die Kunst besteht darin, Immunprozesse zu fördern, ohne das Gesamtsystem zu überfordern. Welche gefährlichen Folgen eine überschießende Immunreaktion hat, weiß man nicht erst seit dem Auftreten von SARS-CoV-2. So rufen beispielsweise Influenzaviren wahre Cytokinstürme hervor, die Körpergewebe und Organe massiv schädigen.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, systematisch nach antiviralen Wirkstoffen zu suchen und diese zu evaluieren. Dafür untersuchen die Ulmer Forscher nicht nur pflanzliche Substanzen, sondern auch körpereigene Peptide, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Ulmer Peptidom-SFB, dem Sonderforschungsbereich 1279 zur "Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika". Die Methoden, die in der neuen Arbeitsgruppe zum Einsatz kommen, sind auf dem neuesten Stand der Forschung: dazu gehören gentechnologische Methoden wie CRISPR-Screens mit Zelllinien, Hochdurchsatz-Verfahren zur genetischen Sequenzierung aber auch bioinformatische Ansätze. "Wir arbeiten interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Virologie, Biochemie und Bioinformatik", bestätigt Dr. Konstantin Sparrer, der als Postdoktorand in Labors an der Harvard Medical School und der University of Chicago sein methodisches Spektrum erweitert hat.
MEDICA.de; Quelle: Universität Ulm