Als therapiespezifische Komplikation der Thrombolyse und Thrombektomie kann es zu Einblutungen in das Hirngewebe kommen, die insgesamt zwar selten auftreten, aber nicht ungefährlich sind. Das Blutungsrisiko steigt an, wenn der Patient unter einer blutgerinnungshemmenden Therapie steht. "Eine Antikoagulation ist jedoch medizinisch oft notwendig, beispielsweise bei Herzvorhofflimmern, Thrombosen oder Lungenembolien, zur Prophylaxe neuer thrombotischer oder embolischer Ereignisse", erklärt Prof. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Bielefeld, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).
Eine in Stroke publizierte Studie untersuchte die Sicherheit der interventionellen Thrombektomie bei antikoagulierten Patienten. Die Gerinnungshemmung erfolgte bei ihnen entweder mit sogenannten Vitamin-K-Antagonisten (VKA, Deutschland z.B. Marcumar) oder mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK). Die multizentrische Beobachtungsstudie analysierte den Zusammenhang zwischen symptomatischen Hirnblutungen (intrakraniellen Hämorrhagien) bzw. der 90-Tages-Mortalität und der Einnahme von VKA oder DOAK vor der Thrombektomie gegenüber nicht-antikoagulierten Patienten. Das mittlere Patientenalter lag bei 74 (62-82) Jahren. Eine VKA-Therapie hatten 222, DOAK erhielten 98 Patienten; als Vergleichsgruppe dienten 1.612 Patienten ohne Antikoagulation.
Im Ergebnis ging die VKA-Behandlung mit einem 2,5-fachen Risikoanstieg (OR 2,55) für postinterventionelle Hirnblutungen sowie 1,6-fachem Anstieg (OR 1,64) der Mortalität einher. Eine DOAK-Therapie zeigte gegenüber der Vergleichsgruppe keine statistisch signifikanten Anstiege der Blutungskomplikationen (OR 0,98 und Mortalität OR 1,35). Die von den Studienautoren parallel durchgeführte Metaanalyse von 15 weiteren, vergleichbaren Kohortenstudien mit insgesamt 7.462 Patienten (855 VKA- und 318 DOAK-Patienten sowie 6.289 Kontrollen) zeigte ähnliche Ergebnisse mit einer höheren Rate an Hirnblutungen unter VKA (OR 1,62), nicht jedoch unter DOAK (OR 1,03). Die Studienautoren empfehlen abschließend, dass bei einer erforderlichen Antikoagulation DOAKs bevorzugt werden sollten.
"Eine Antikoagulation gilt bei Risikopatienten, so beispielsweise bei Herzvorhofflimmern oder nach Lungenembolie heute als Goldstandard und kann lebensrettend sein", so Schäbitz. "Man sollte nicht auf eine medizinisch notwendige Antikoagulation verzichten, nur weil vielleicht irgendwann eine Thrombektomie anstehen könnte. Vor Beginn einer gerinnungshemmenden Therapie müssen aber alle Vor- und Nachteile abgewogen werden – gleiches gilt für die unterschiedlichen infrage kommenden Substanzen."
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.