Vorhofflimmern (VHF) ist ein bedeutsamer Schlaganfall-Risikofaktor. Bekannt ist, dass Menschen mit VHF ein vier- bis fünffach erhöhtes Risiko haben, eine zerebrale Ischämie zu erleiden. Hintergrund: Flimmern die Vorhöfe, können sich dort kleine Blutgerinnsel bilden, die mit dem Blutstrom über die Herzkammer, Aorta und die Halsschlagadern in die Hirnarterien gelangen und zu einem Gefäßverschluss führen können. Die Folge ist ein ischämischer Schlaganfall. Das Elektrokardiogramm (EKG) des Herzens gehört daher zu Standarddiagnostik nach einem Schlaganfall, um VHF als mögliche Ursache zu erkennen und durch eine antikoagulatorische Therapie das Risiko eines Schlaganfall-Rezidivs zu senken.
Viele Betroffene haben allerdings initial keine VHF-spezifischen Symptome und nur ein intermittierend bestehendes VHF, das daher nur bei einer verlängerten EKG-Ableitung erkannt wird. Bei Patienten mit einem Schlaganfall ohne bis dato bekanntes VHF wird daher stationär auch mindestens ein 24-Stunden-Langzeit-EKG durchgeführt. Leitlinien empfehlen nunmehr eine EKG-Aufzeichnung über 72 Stunden, um ein intermittierendes VHF zu entdecken und die Betroffenen leitliniengerecht zu behandeln. Ziel ist, das Risiko für Schlaganfallrezidive bestmöglich zu senken.
Die "The Impact of MONitoring for Detection of Atrial Fibrillation in Ischemic Stroke" (MonDAFIS)-Studie, die in Lancet Neurology publiziert wurde, ist eine Investigator-initiierte Studie unter Federführung des Centrums für Schlaganfallforschung Berlin und unter Beteiligung des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Julius-Maximilian-Universität Würzburg. Das Ziel der Studie war es, den Einfluss eines bis zu maximal sieben Tage verlängerten additiven EKG-Monitorings bei stationär behandelten Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) auf die Rate der oralen Antikoagulation nach zwölf Monaten zu erheben. Weiterhin wurde die Rate an stationär neu diagnostiziertem VHF ausgewertet. Ein weiterer sekundärer Endpunkt war die Summe aus Schlaganfall-Rezidiven, Myokardinfarkten, schweren Blutungen und Gesamtmortalität nach 24 Monaten.
Zwischen Dezember 2014 und September 2017 wurden insgesamt 3.465 Schlaganfallpatienten in 38 zertifizierten deutschen Stroke Units in die Studie eingeschlossen und randomisiert. 1.730 Patienten erhielten die stationäre Standarddiagnostik, 1.735 wurden in den Interventionsarm randomisiert und erhielten zusätzlich ein EKG-Monitoring über bis zu sieben Tage. Nach zwölf Monaten zeigte sich, dass 13,7 Prozent der Patienten in der Interventionsgruppe und 11,8 Prozent der Patienten in der Kontrollgruppe eine orale Antikoagulation erhielten, dieser Unterschied zwischen den Gruppen war jedoch nicht signifikant (p=0,134). Die Rate der Patienten, bei denen stationär ein VHF diagnostiziert wurde, war jedoch in der Interventionsgruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe (5,8 Prozent vs. 4,0 Prozent, p=0,024). Die anderen sekundären Endpunkte unterschieden sich nicht signifikant, was laut Studienleiter Prof. Dr. Matthias Endres von der Klinik für Neurologie der Charité- Berlin auch nicht verwunderlich sei: "Die Unterschiede bezüglich der Antikoagulation nach zwölf Monaten waren nicht signifikant, so dass nicht zu erwarten war, dass es einen Einfluss auf Rezidivereignisse gab."
Doch wie lässt sich der neutrale Ausgang der MonDAFIS Studie erklären? "Das hatte mehrere Gründe", erklärt der Studienkoordinator Prof. Dr. Karl Georg Häusler, Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Würzburg: "Durch den pragmatischen Ansatz der Studie wurden auch Schlaganfallpatienten eingeschlossen, die ein vergleichsweise niedriges Risiko für VHF haben. So waren 43% aller Patienten bei Studieneinschluss jünger als 65 Jahre alt. Zudem wurde in der Kontrollgruppe häufiger als erwartet ein VHF diagnostiziert, was eine Sensibilisierung der Behandler für die Risiken eines VHF verdeutlicht." "Ein weiterer Faktor war die Tatsache, dass ein Teil der Studienpatienten aus anderen Gründen antikoaguliert wurde, zum Beispiel aufgrund eines persistierenden Foramen ovale oder einer tiefen Beinvenenthrombose", ergänzt Prof. Endres.
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), sieht in den Studiendaten ein Qualitätsmerkmal der Schlaganfallversorgung in Deutschland. "Die Tatsache, dass es auch in der Kontrollgruppe nicht zur Untertherapie kam und Rezidivereignisse zwischen den Gruppen nicht unterschiedlich waren, demonstriert auch die hohe Versorgungsqualität auf unseren Stroke-Units."
Was also kann aus den vorliegenden Daten für den klinischen Alltag geschlussfolgert werden? Das pragmatische Fazit von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft Neurologie (DGN), lautet, ein EKG-Monitoring zumindest bei älteren Schlaganfallpatienten über 65 Jahre bis zur stationären Entlassung fortzuführen. "Die Intervention führt bei Risikopatienten zu einer höheren Diagnoserate von VHF – und ist darüber hinaus relativ kostengünstig."
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie