Patienten hingegen bietet die Digitalisierung die Chance, die eigene Souveränität zu stärken: Sie recherchieren in Gesundheitsfragen häufiger selbst, sind dadurch besser informiert und zunehmend mündiger. Die befragten Stakeholder befürchten durch diese neue Situation aber auch Ohnmachtserfahrungen und eine Entmenschlichung des Gesundheitssystems.
Treiber dieses Wandels sind Gesundheitsdaten, die mit der Einführung der elektronischen Patientenakte und der digitalen Vernetzung des Gesundheitssystems schon bald in höherer Quantität und Qualität verfügbar sein werden. Patienten können diese Daten selbst verwalten und auch bestimmen, wofür sie genutzt werden. Ärztinnen und Ärzte haben dagegen die Möglichkeit, Daten mithilfe Künstlicher Intelligenz zu analysieren und abzugleichen – um am Ende bessere Diagnosen zu stellen und passgenauere Therapiemöglichkeiten abzuleiten. In diesem Zusammenhang betonen die befragten Expertinnen und Experten jedoch, dass Algorithmen und Künstliche Intelligenz Medizinerinnen und Mediziner nicht ersetzen können und dürfen. Vielmehr sollen sie unterstützend eingesetzt werden.
"Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist kein Selbstläufer. Sowohl Ärzte als auch Patienten benötigen digitale Gesundheitskompetenz – also Digital Health Literacy –, um das neue datenbasierte Wissen bewerten und nutzen zu können. Je souveräner der Umgang mit digitalen Technologien gelingt, desto größer sind die Aussichten auf einen allgemeinen Zugewinn und mehr Selbstbestimmung", kommentiert Cordula Kropp, wissenschaftliche Projektleiterin und Soziologin vom Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRIUS).
So müssen Patienten sowie Leistungserbringer beispielsweise darauf hingewiesen werden, dass Algorithmen mit Daten "trainiert" werden. Sind diese Daten verzerrt, kann es zu Fehlbefunden kommen. Medizinische Studien werden beispielsweise zumeist an jungen, weißen, männlichen Probanden durchgeführt, vernachlässigen also Geschlecht, Alter und Ethnie. Wenn eine Künstliche Intelligenz auf Basis derartig verzerrter Daten Urteile fällt, müssen diese entsprechend hinterfragt und eingeordnet werden.
"Gesundheitsrelevante Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Einsatz von Algorithmen zur Diagnose oder Früherkennung von Krankheiten, haben ein großes Potenzial, vielen Menschen ein gesünderes und sichereres Leben zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es aber erforderlich, dass persönliche Daten geschützt und ihre kommerzielle Nutzung streng reguliert wird. Wie wir Chancen nutzen, ohne die Risiken aus dem Blick zu verlieren, darüber sollten wir uns als Gesellschaft schon in einer möglichst frühen Phase von Innovationen verständigen," so Ortwin Renn, TechnikRadar-Projektleiter und acatech Präsidiumsmitglied.
MEDICA.de; Quelle: acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften