Durch die aufgrund der COVID-19-Pandemie ergriffenen Quarantänemaßnahmen leben derzeit viele Menschen in sozialer Isolation. Das kann sich sowohl kurz- als auch langfristig nachteilig auf ihre psychische Gesundheit auswirken. Insbesondere zwei Gruppen sind in dieser Hinsicht anfällig und schutzbedürftig: Ältere Erwachsene über 65 Jahren und Kinder unter 16 Jahren. Der Einsatz von sozialen Robotern kann diese negativen Folgen möglicherweise verhindern oder zumindest minimieren.
Noch ist jedoch unklar, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit soziale Roboter schutzbedürftigen Menschen effektiv helfen könnten, die psychischen Folgen sozialer Isolation abzuschwächen oder sogar umzukehren. Eine internationale Kooperation von Wissenschaftler aus den Niederlanden, Schweden, der Türkei und der Universität Hohenheim hat sich jetzt in einer konzeptionellen Studie mit den Möglichkeiten und Anforderungen, aber auch mit den Hindernissen und nachteiligen Effekten von sozialen Robotern auseinander gesetzt.
"Wir möchten gerne verstehen und Anregungen geben, wie soziale Roboter das Wohlbefinden schutzbedürftiger Personen verbessern können, wenn diese sich in sozialer Isolation befinden – nicht nur während der Corona-Pandemie, sondern auch aufgrund anderer Umstände", erklärt Marah Blaurock, Doktorandin am Institut für Marketing und Management in Hohenheim.
Die Wissenschaftler identifizierten vier Haupttypen, in die sich soziale Roboter einteilen lassen:
Der Unterhalter-Roboter dient in erster Linie der Zerstreuung. Er vertreibt kurzfristig die Langeweile, weckt die Freude am Spielen und amüsiert die Menschen.
Soziale Interaktionen vermittelt der soziale Wegbereiter. Sein Verhalten kann einem authentischen sozialen Kontakt sehr nahekommen. Über einen Bildschirm bleiben Personen mit Freunden, der Familie oder dem Gesundheitsdienst in Kontakt.
Ein Mentor-Roboter kann in der Bildung sowie bei der Psycho- und Physiotherapie Aufgaben übernehmen, die normalerweise die Anwesenheit eines professionellen Dienstleisters erfordern. So bleiben zum Beispiel durch die regelmäßige körperliche Aktivität mit einem Mentor-Roboter ältere Erwachsener länger mobil und können ein unabhängiges Leben führen. Bislang werden solche Roboter allerdings ausschließlich in der Forschung eingesetzt.
Das gesamte Spektrum des Wohlbefindens wird jedoch nur von dem komplexesten Roboter-Typ, dem Freund, abgedeckt. Durch quasi-soziale Interaktionen kann er die negativen Folgen einer objektiven oder subjektiv empfundenen sozialen Isolation abmildern und durch Fürsorge und emotionalen Trost sowohl das kurz- als auch das langfristige Wohlbefinden unterstützen.
"Wir unterscheiden allgemein zwei verschiedene Formen des Wohlbefindens, das hedonistische und das eudämonistische", erläutert Blaurock. "Hedonistisches Wohlbefinden wird mit Vergnügen und Glück gleichgesetzt und ist eher eine kurzfristige Steigerung des Wohlbefindens. Im Gegensatz dazu hält bei der eudämonistischen Form die Steigerung des Wohlbefindens eher langfristig an und umfasst Bereiche wie Selbstverwirklichung, persönliches Wachstum und positive soziale Beziehungen."
"Je nach den Umständen profitieren Menschen am meisten von Dienstleistungen, bei denen der Schwerpunkt eher auf dem einen oder dem anderen liegt", fährt Blaurock fort. "In der Studie haben wir beide Ansätze berücksichtigt und untersucht, welches Potenzial soziale Roboter haben, um das Wohlergehen schutzbedürftiger Menschen positiv zu beeinflussen."
So werden soziale Roboter vor allem von Kindern und älteren Menschen als emotionale und soziale Akteure wahrgenommen, wenn sie ein "soziales Verhalten" zeigen, wie zum Beispiel Berührungen und emotionale Reaktionen. Sie können trösten und aufmuntern, aber auch Kommunikationsfähigkeiten und Lernerfahrungen verbessern und so die persönliche Entwicklung der Menschen fördern.
Auf der Forschungsagenda zu sozialen Robotern stünde aber auch der Aspekt, ob und unter welchen Umständen sich der Einsatz sozialer Roboter bei gefährdeten Menschen auch nachteilig auf deren Wohlbefinden auswirken kann, betont Blaurock. So stellt sich beispielsweise die ethische Frage, inwieweit Roboter Menschen ersetzen können und sollen.
Zwar können Sozialroboter das Autonomiegefühl älterer Erwachsener stärken, da diese weniger abhängig von Betreuung und Personal sind, auf der anderen Seite gibt es aber auch Befürchtungen, dass soziale Roboter die Pflegekräfte ersetzen könnten und sich dadurch die Einsamkeit noch verstärken würde.
MEDICA.de; Quelle: Universität Hohenheim