Bei manchen Arzneimitteln ist bekannt, dass sie Wechselwirkungen haben. Aber nicht immer ist vorher klar, wie Medikamente zusammen im Körper wirken – und nicht jede Leber reagiert gleich auf denselben Mix an Wirkstoffen. "Aus Studien wissen wir, dass etwa zehn bis 20 Prozent der Krankenhauseinweisungen von älteren Patientinnen und Patienten darauf zurückgehen, dass ihr Körper nicht gut auf das Zusammenspiel der verschiedenen Medikamente reagiert", sagt Prof. Thomas Huser von der Universität Bielefeld. „Sie müssen dann neu mit Medikamenten eingestellt werden.“
Huser ist Physiker und beschäftigt sich seit mehr als zwölf Jahren mit der Leber und der optischen Darstellung ihrer Zellen. Er koordiniert das neue EU-Projekt namens DeLIVERY, in dem die Universität Bielefeld mit fünf weiteren Partnern aus ganz Europa zusammenarbeitet. "Unser Ziel ist es, eine Art Mikro-Leberkultursystem zu entwickeln und damit die Verträglichkeit von Medikamenten-Kombinationen zu testen", sagt er. Ein solches System gibt es für die Leber bislang noch nicht.
Die Leberzellen sollen dabei in einer Art Mini-Brutmaschine für mindestens 14 Tage am Leben erhalten werden, während die Forschenden beobachten, wie die Zellen auf bestimmte Medikamente, deren Kombination und verschiedene Dosierungen reagieren. "Wir haben uns dafür die Wirkstoffklassen herausgesucht, die bei älteren Menschen am häufigsten verschrieben werden", sagt Huser.
Ebenso wichtig wie die Brutmaschine ist die Bildgebung, die speziell für DeLIVERY entwickelt wird und die diese Beobachtungen ermöglichen soll – und das ist die Aufgabe von Husers Arbeitsgruppe: "Wir arbeiten an einem optischen System, mit dem wir Leberzellen in sehr hoher Auflösung darstellen können, ohne dass wir sie aus der Brutmaschine entfernen und unter ein Elektromikroskop legen müssen", sagt Huser. Der Vorteil: Die Zellen sind danach für die Forschung nicht verloren, wie es bei einem Präparat unter einem Mikroskop der Fall wäre, sondern leben weiter.
Das Projekt, das vom Europäische Innovationsrat mit rund drei Millionen Euro gefördert wird, läuft über vier Jahre. "Unser Ziel ist es, dass wir am Ende individuell durch eine Biopsie testen können, wie die Leber einer Patientin oder eines Patienten auf bestimmte Medikamente und deren Kombination reagieren wird", sagt Thomas Huser. Dafür müssten nur wenige Leberzellen entnommen werden – und Biopsien zählen in der Medizin zu Routineeingriffen.
MEDICA.de; Quelle: Universität Bielefeld